Kurzkritik:Alte Schule

Lesezeit: 1 min

Das Universaltalent Werner Schneyder im Bayerischen Hof

Von Oliver Hochkeppel, München

"Meine zwölf Leben" hat Werner Schneyder einst seiner Autobiografie als Untertitel verpasst. Das war nicht übertrieben: Journalist, Schauspieler, Kabarettist, dann Dichter, Chansonnier und Übersetzer, aber auch legendärer Sportkommentator und Box-Ringrichter - Schneyder ist wahrhaft einer der selten gewordenen "Universaldilettanten", wie er es selbst nennt. In der Kleinen Komödie des Bayerischen Hofs war nun auf den ersten Blick die Konzentration auf eine Facette des Multitalents angesagt: "Lieben, Wein und Leben - meine Lieder" war der angekündigte Chansonabend überschrieben.

Der aber natürlich nicht so persönlich, so ergreifend, so musikalisch und so klug ausgefallen wäre, wenn nicht doch wieder alle seine Fähigkeiten eingeflossen wären. Schon "Auch ich war einst ein Kind" präsentierte nicht nur den geschmackvollen, stilbewussten Sänger, sondern auch den Poeten, den Historiker in eigener Sache, den lebensklugen Satiriker und nicht zuletzt den genialen Übersetzer: Das Original "Mon Enfance" stammt ja von Jacques Brel, und es sollten noch einige Chansons des Belgiers folgen, die Schneyder wegweisend ins (auch österreichische) Deutsch überführt hat. Schneyder erklärte sogar, "warum Ihnen diese Übersetzung gefallen hat"; die ausschlaggebende "Parallelität der Vokale" führte er später auch noch an Jazz-Standards vor.

Nicht nur, dass vom klassischen Chanson über das Wienerlied bis zum Swing Einiges abgedeckt war, Schneyder band das Ganze auch mit funkelnden Überleitungen und Gedichten sehr überzeugend in einen biografisch-chronologischen Rahmen von der Kindheit bis - für einen Österreicher unverzichtbar - zum Tod ein. Und wenn der immer noch unverändert präsente 78-Jährige einmal grippegeschwächt aus dem Text oder Takt fiel, dann fing ihn der wie immer makellose Begleiter Christoph Pauli weich auf. Alles alte Schule also, die sich auch ein paar Jüngere als der Silbersee im Bayerischen Hof hätten anschauen sollen.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: