Kurzkritik:Alte Meckerer

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Versöhnliche Töne von "Fehlfarben" im Hansa 39

Von Jürgen Moises, München

Was ich haben will, das krieg' ich nicht, und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht. Diese von den Fehlfarben in "Paul ist tot" besungene, menschliche Grunderfahrung haben wohl schon viele in ihrem Leben gemacht. Beim Konzert der Fehlfarben im gut besuchten Hansa 39 bleibt sie einem erspart. Denn dort kriegt jeder, was er will. Das heißt vor allem alte Klassiker wie "Paul ist tot", "Apokalypse" oder "Grauschleier", mit den ebenfalls existenzialistisch anmutenden Zeilen: "Es liegt ein Grauschleier über der Stadt, den meine Mutter noch nicht weggewaschen hat". Mit solchen Sätzen, mit denen uns Sänger Peter Hein, wie er es auf der Bühne mit gewohnt miesepetrigem Understatement formuliert, "seit 40 Jahren nervt", haben die Fehlfarben Musikgeschichte geschrieben. Und ihr Debüt "Monarchie und Alltag" gilt heute zu Recht als eines der wichtigsten deutschen Pop-Alben.

Dass Heins spitze Feder seitdem nicht stumpf geworden ist, beweist ein Satz wie "Davon geht die Welt nicht unter, dass man sie zerstört", den Rainald Goetz in seiner Georg-Büchner-Preisrede zitiert hat. Er stammt aus "Untergang" vom aktuellen Album "Über...Menschen", von dem es im Hansa 39 auch einiges zu hören gibt. Aber ist ja eh "alles dieselbe Scheiße", so der Berufsnörgler. Wobei das nicht ganz stimmt. Denn manches auf dem neuen Album klingt geradezu versöhnlich. Und in der Ballade "Wir allein" heißt es gar: "Manchmal möchte ich gar nicht mehr schreien".

Für das Konzert gilt das glücklicherweise nicht. "Platz da" und "Www, du Arschloch, de" bellt Hein etwa im langen Zugaben-Teil heraus. Begleitet von zackigen Wavepunk-Rhythmen, für die Michael Kemner und Saskia von Klitzing an Bass und Schlagzeug, Kurt Dahlke am Keyboard und Frank Fenstermacher an Keyboard und Saxofon verantwortlich sind. Die Gitarre von Neuzugang Thomas Schneider tut ihr Übriges dazu, wirkt an diesem Abend aber noch ein bisschen schüchtern, heißt: zu leise. Abgesehen davon gibt es an diesem Konzert der alten Meckerer nichts zu meckern.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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