Kunstmesse:T, R, U, M und P

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Auf der New Yorker Ausgabe der Frieze hadern die Künstler mit dem Präsidenten. Die Käufer hingegen sind so spendabel wie lange nicht mehr. Sie gehören zu seinen Profiteuren.

Von Peter Richter

Wenn in Werken der Kunst die Buchstaben T, R, U, M und P auftauchen, und zwar in dieser Reihenfolge, was heißt das dann eigentlich nach allem, was wir von René Magritte bis Joseph Kossuth über Semiotik und Bilder lernen durften? Wieso sagt da auf einmal niemand mehr etwas in der Art von "Dies ist keine Pfeife"?

Wenn auf einer Kunstmesse über kaum etwas anderes geredet wird als über einen Mann, dessen Name sich nun einmal mit T, R, U, M und P schreibt, und zwar in dieser Reihenfolge, und darüber, warum er ausgerechnet am Tag der Preview ebenfalls in der Stadt zu Besuch sein muss: Dann hört das vielleicht ganz einfach von selber auf mit den Subtilitäten. Schließlich kann bei dem Mann keiner ausschließen, dass er oder jemand aus seiner Entourage spontan auf die Idee kommt, bei der Messe aufzutauchen; auch in dieser Familie wird schließlich Kunst gekauft.

So hatte es fast schon etwas Apotropäisches, wenn bei dieser Frieze New York erstaunlich viele Werke den Namen des Präsidenten im Bild führten. Man fand ihn auf zwei Tafeln von Llyn Foulkes, der neuerdings von der Berliner Galerie Sprüth Magers vertreten wird. Und er fand sich im Titel einer Preziose, die Esther Schipper mitgebracht hatte, die den Nachlass der Künstlergruppe General Idea verwaltet.

Ein Bild zeigt einen Mann, der als lebende Kanonenkugel über den Grenzzaun geschossen wird

General Idea schließlich hatten die suizidale Abschiedsnotiz eines obdachlos Gewordenen in Bronze gegossen, die sie 1989 auf der Straße gefunden hatten und auf eine Scheibe aus ebenjenem Marmor montiert, der auch bei der Innenverkleidung des New Yorker Trump Towers verwendet worden war. Damals empörte sich die Stadt über die Steuernachlässe, die sich Donald Trump beim Bau seines Turmes ergattert hatte.

Man sah den Namen aber auch auf einem Stück Zeitung im Hintergrund von Chris "Daze" Ellis' Gemälde "April in the Subway" (2017) bei P.P.O.W. aus New York. "Impeach Trump" stand da. Dass Chris "Daze" Ellis nicht immer das Innere von U-Bahn-Zügen gemalt hat, sondern zuerst dadurch bekannt geworden ist, dass er das Äußere von U-Bahn-Zügen angemalt hat, das ist natürlich Teil dieser Geschichte. Bei P.P.O.W. haben sie ihren ganzen Stand der aktivistischen Lower East Side-Szene der Siebziger und Frühachtziger gewidmet, Hip-Hop-Heroen wie Charlie Ahearn, eben Daze und Malern wie Martin Wong und David Wojnarowicz. Zu Recht bekam die Galerie dafür auch einen Preis für den besten Messestand.

Unübersehbar war der Wille, politische Statements zum Heute abzugeben. Und auffällig war, dass das noch am besten da gelang, wo das Politische den Umweg über die Kunst- und Protestgeschichte ging. Themen wie die Mauer zu Mexiko sind auch in der Kunst schließlich nichts Neues. Die Galerie Peter Kilchman aus Zürich zeigte prominent eine Fotografie von Javier Téllez, die auf einem zehn Jahre alten Film beruhte, der gleichzeitig das Zwangssystem der Psychiatrie und das der amerikanischen Immigrationspolitik behandelte. Das Bild zeigt den Moment, in dem ein Mann als lebende Kanonenkugel am Strand von Tijuana über den Grenzzaun geschossen wird. ("One Flew Over the Void", 2005-2017.) Bilder der Grenze waren auch bei der Berliner Galerie Silberkuppe zu sehen, und zwar in einer Arbeit, mit der sich Fred Londier 2010 am Freihandelsvertrag Nafta abarbeitete, der inzwischen eher als schützenswerte Errungenschaft gilt, seit Trump die Axt an ihn legen will. Auch hier ist der Mann zumindest implizit im Werk präsent.

Er ist in gewisser Weise sogar dort anwesend, wo die Kunst vor seinem Vorgänger in Andachtshaltung geht. Die Fotografin Katy Grannan zeigt bei Salon94 aus New York einen "President Barack Obama", 2016, der als Offizialporträt in eine Amtsstube und als Heiligenbild in eine Kirche passen würde.

Und Robert Longo gibt ihn in einer monumentalen Kohlezeichnung als Superfeldherr auf einem Flughafen-Rollfeld, so heroisch von unten gesehen, als läge die Kunstwelt vor dem letzten Präsidenten geradezu im Staub. Bei Ropac hängt um die Ecke auch tatsächlich noch ein Porträt des aktuellen, gemalt von Yan Pei-Ming, mit geschürztem Pöbelmündchen und zum Preis von 140 000 Euro.

Letztes Jahr herrschte noch "Unsicherheit". Jetzt sind die Geschäfte "beglückend"

Ausgerechnet im ersten Jahr seiner Amtszeit herrscht bei der New Yorker Ausgabe der Frieze eine Kauflaune, von der die Verantwortlichen im letzten Jahr nur träumen konnten. Damals maulten alle über die maue Stimmung und schoben sie zum Teil auf die Unsicherheiten vor der Wahl. Diesmal trifft man fast nur glaubhaft begeisterte Galeristen, und am Abend häufen sich die Jubelmeldungen.

Hauser und Wirth nennen ihren ersten Messetag mit einer Einzelshow neuer, großer Arbeiten von Lorna Simpson "beglückend". David Zwirner hat alle Arbeiten von Carol Bove ausverkauft und dazu vier der großen William-Eggleston-Fotografien für jeweils 185 000 Dollar. Jack Shainman hat 1.1 Millionen Dollar für eine große Arbeit El Anatsui eingenommen. David Nolan spricht vom "besten Eröffnungstag, den sie jemals hatten bei der Frieze". Und die kleine Grimm Gallery ist sogar schon komplett ausverkauft. Und so weiter und so fort.

Die Qualität der Kunst ist bei dieser Ausgabe der Messe allerdings auch erfreulich hoch. Leider muss man sagen, dass sie umso höher ist, je weniger explizit politisch sie sein will. Aber die Frage nach der Rolle der Politik wabert eben trotzdem hartnäckig durch das Zelt auf Randall's Island: Welche Rolle spielte denn nun Trump dafür, dass die Stimmung ökonomisch so viel besser ist als im letzten Jahr seines Vorgängers?

Die Produzenten von Kunst dürfen sich von ihm herausgefordert sehen, die Sorte von Leuten, die Kunst kauft, besonders die teure, die gehört aber nun einmal eindeutig zu seinen Profiteuren. Diese spezielle Diskrepanz wird die New Yorker Kunstwelt noch eine Weile beschäftigen und wäre vielleicht selbst mal eine Arbeit wert.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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