Kunstmesse:Bambergs Extravaganz

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Eine Antiquität muss heute originell sein. So wie der „Erzengel Michael als Bezwinger Satans“ (Neapel um 1560). (Foto: Barthel-Bamberg)

Während der Wagner-Festspiele laden Händler und Galerien in die Nachbarstadt zu den Kunst- und Antiquitätentagen. Dort gibt es nicht nur Schönes, sondern auch Originelles zu sehen.

Von Dorothea Baumer

Bamberg ist eine Oase der alten Kunst", sagt Walter Senger. Er ist so etwas wie der Doyen der örtlichen Kunsthändlerszene, unterhält seit mehr als vierzig Jahren sein Antiquitätengeschäft, kennt das internationale Parkett, als Aussteller, aber auch als Spezialist für Skulpturen der weltbesten Messe in Maastricht. Dass er ringsum nur Wüste sähe, ist damit nicht gemeint, wohl aber, dass man in Bamberg der alten Kunst eine überaus fürsorgliche Pflege angedeihen lässt.

Der attraktivste Beweis sind die Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen, die seit über zwanzig Jahren während der Bayreuther Wagner-Festspiele stattfinden und sich einer Beliebtheit erfreuen wie nie zuvor. Angenehmer, entspannter, auch persönlich betreuter kann man sich wohl nirgends zum Kunstkauf anregen lassen. Da spielt einiges zusammen: An erster Stelle ist es wohl der Ort selbst, der für Vergangenes empfänglich macht. Bamberg, die alte Kaiserstadt mit romanischem Dom, seit 25 Jahren mit einem Unesco-Welterbetitel ausgezeichnet, überrascht Besucher mit einer überwältigend schönen barocken Altstadt, in deren Gassen man sich gern treiben lässt. Eben dort sind, konzentriert auf wenige Hundert Quadratmeter, eine ganze Reihe von Kunsthändlern angesiedelt, die in diesen Tagen ihr mit Neuerwerbungen aufpoliertes Angebot präsentieren. Darüber hinaus haben sie in einer gemeinsamen Initiative mit erweiterten Öffnungszeiten über die Wochenenden hin ihre Galerien und Geschäfte geöffnet, laden ein zu Führungen, Vorträgen und Konzerten im Schönbornschen Schloss Weißenstein in Pommersfelden. Und da ist nicht zuletzt das nahe Bayreuth, das wie viele andere Festspielgäste auch, im vergangenen Jahr selbst das schwedische Königspaar zu einer Visite in der Nachbarstadt bewog.

Was Sammler in Bamberg erwarten, bringt Christian Eduard Franke-Landwers, einer der führenden Kunsthändler, auf den Punkt: "Spitzenqualität". Gesucht wird das herausragende, sehr spezielle Objekt. Man kann das auch anders ausdrücken: "Die mittlere Qualität interessiert heute nicht mehr." Fülle und Qualität sind es dann auch, die seine Kunsthandlung zu einem äußerst verführerischen Ort machen. Schätze, wohin man blickt, aber auch ein deutlicher Schwerpunkt auf ausgesuchten Möbeln und Interieurstücken des 18. Jahrhunderts. Kommoden der Gebrüder Spindler, ein Aufsatzsekretär des Dresdner Hofebenisten Michael Kimmel oder auch ein Abraham Roentgen-Meisterwerk wie dessen Klappschreibtisch der, im Jahr 1765 hergestellt, jetzt ungefähr 360 000 Euro kosten soll. So ein Stück gehört zu den Highlights der Offerte. Aber wer nach noblen Provenienzen Ausschau hält, könnte auch üppige barocke Appliken aus Schloss Seehof ins Auge fassen. Reizvolle Schlosspark-Frivolitäten aus dem Rokoko wiederum ließen sich mit Johann Peter Wagners Sandstein-Bacchantengruppe aus Veitshöchheim erwerben.

Man könnte freilich auch ein wenig bescheidener beginnen und sich in dem verwunschenen Fachwerkhaus von 1490 umsehen, in dem Julia Heiß eine bestechend schöne Auswahl von dänischem Silber vorhält. Natürlich sind Stücke von Georg Jensen dabei, aber eben auch Schalen von Peter Hertz oder Evald Nielsen aus den Dreißigerjahren, angeboten für 1250 und 1300 Euro, oder gehämmerte Stücke aus der Silberschmiedewerkstatt Cohr für 2500 Euro.

Einer dekorativen Extravaganz wegen lohnt sich der Weg zu Burkard Hauptmann. Neben einem Biedermeier-Bücherschrank mit bemerkenswert originaler Patina für 13 500 Euro ist dort ein großer, an die vierzig Kilogramm schwerer Spiegel aus Metallguss von 1900 zu entdecken, der aus dem Ladenlokal eines Berliner Herrenausstatters stammt, ornamental zwischen Historismus und Jugendstil changiert und rund 3000 Euro kosten soll.

Als Generalist, also in allen Sparten tätig, ist auch Matthias Wenzel, der Bambergs ältestes, bereits nach dem Krieg von seinem Vater gegründete und heute im Palais Freyhaus residierende Antiquitätengeschäft führt. Schwer zu sagen, was man in seinen wunderbar durchmischten Kunstarrangements nicht findet. Eine starke kunsthandwerkliche Komponente gibt es und zweifellos eine Spezialität sind die von ihm aufgebotenen "Lüsterweibchen" der Spätgotik. Seiner Ausstrahlung wegen darf ein kleiner süddeutscher Renaissance-Engel so wenig unerwähnt bleiben wie eine eindrucksvolle spanische Skulptur aus dem Königreich Neapel von 1560/70, die den heiligen Michael, in feinster Estofado-Malerei gefasst, über den Satan triumphieren lässt, was einem Interessenten 48 000 Euro Wert sein sollte.

Was die Lüsterweibchen betrifft, so hätte auch der Kollege Reinhard Keller ein recht ungewöhnliches Exemplar zu bieten, nämlich einen achtflammigen Würzburger Geweihlüster von Heinz Schiestl um 1500, der statt Weibchen die Halbfigur des hl. Kilian zwischen Engeln zeigt. Dabei handelt es sich um ein Unikat, dem Erwartungen von etwa 15 000 Euro gelten.

Eine Bamberger Instanz darf man schließlich den Kunsthandel Senger nennen, der unter dem Seniorchef Walter Senger vor allem als Skulpturenspezialist internationales Renommee erwarb, aber stets Generalist blieb und heute teils von der jüngeren Generation, Töchtern und Schwiegersohn, geführt, auch einer neuen Ausrichtung zugeführt wird. Da mag zu den größten Kostbarkeiten der Offerte im Stammhaus Lucas Cranachs d. Ä. Melanchthon-Porträt von 1543 für 480 000 Euro gehören oder ein sonderbarer Prager Aufsatzsekretär von 1730.

Das viel Aufmerksamkeit erheischende Gesprächsthema ist etwas viel Ungewöhnlicheres: die Eröffnung eines neuen Sengerschen Galeriehauses. So viel Vertrauen in die alte Kunst ist staunenswert. Allerdings wird hier erstmals das Konzept eines stilistischen Cross-over ausprobiert, etwa das Gegenüber einer lebensgroßen Petrus-Figur aus dem Veit Stoß-Umkreis mit zeitgenössischer Breitwandmalerei des indischen Künstlers Radnadeep Gopal Adivrekar, einer Wagner-Hommage. Ob das die Bamberger Zukunft ist, wird sich zeigen. Die Kunst- und Antiquitätenwochen 2017 waren die bislang erfolgreichsten, die Händler werden sich in den kommenden Wochen anstrengen (Bis 23. August).

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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