Kunst:Zu günstig eingekauft

Lesezeit: 2 min

Besessener Sammler: Lothar-Günther Buchheim im Esszimmer seines Hauses, um 1980. (Foto: Buchheim-Stiftung)

Ein Skandal-Buch verhagelt dem Buchheim-Museum die Feier zum 100. Geburtstag seines Gründers. Der soll Meisterwerke zu Spottpreisen in der DDR eingekauft und Steuern hinterzogen haben. Der Autor? Sein Sohn.

Von Sabine Reithmaier

Lothar-Günther Buchheim war Künstler, Sammler, Despot, jedenfalls nennt ihn so sein Sohn Yves im Untertitel seines Buchs "Buchheim". Der Band ist eben erschienen, rechtzeitig zum 100. Geburtstag des Vaters am 6. Februar. Das Bild, das Buchheim darin vom Leben des Vaters zeichnet, ist wenig schmeichelhaft, wohl nicht anders zu erwarten von einem Sohn, den sein Erzeuger einen "Bastard" nannte, einen "verdammten Hurensohn", den er nie haben wollte.

"Wir können ja verstehen, dass er das Buch schreiben musste", sagt Daniel J. Schreiber, Direktor des Buchheim-Museums, der gerade mit der Vorbereitung der Feierlichkeiten zum Geburtstags des Museumsgründers beschäftigt ist und sich nicht mit dem Vorwurf befassen will , dass Buchheim einen Teil seiner wertvollen Expressionisten-Sammlung zu Spottpreisen in der DDR gekauft haben soll. "Vieles ist durch den Familienzwist überschattet."

Das beginnt mit der Behauptung, Buchheim habe vieles in seinen weltberühmten Büchern hinzugedichtet. Da es sich um Literatur handelt, nicht um Dokumentation, wiege der Vorwurf nicht schwer. In anderen Fragen folgt der 1949 geborene Sohn den Versionen des Vaters; so berichtet er in seinem Buch (Mitarbeit: SZ-Redakteur Franz Kotteder), dieser sei nie in die Hitlerjugend eingetreten. Dabei hat Buchheim in dem Lebenslauf, mit dem er sich 1939 für die Aufnahme an der Akademie der Künste in Dresden bewarb und die in der Studierendenakte dort abgelegt ist, noch selbst seine Mitgliedschaft festgehalten. Das Dokument entdeckt hat der Journalist Gerrit Reichert, der seit Jahren das Thema bearbeitet und auf Widersprüche stieß. Seine kritische Neubewertung von Buchheims Teilnahme am U-Boot-Krieg, dessen Rolle im Apparat der NS-Propaganda ist daher Teil der Geburtstagsausstellung, die das Museum ab Mitte März zeigt. Detailliert äußert sich Yves Buchheim zum Finanzgebaren des Vaters. Schon früher hieß es, dass er geizig gewesen sei, sich selbst und seiner Familie nichts gönnte, jedenfalls wenn er es selbst bezahlen musste. Aber dass ihm jedes Mittel recht war, um Steuern zu sparen, er sein Vermögen durch Nummernkonten in der Schweiz und Briefkastenfirmen, beispielsweise in Panama, vor dem Zugriff des Fiskus versteckte, wusste man nicht. Yves Buchheim, der in der Schweiz lebt, beschreibt ein "Geflecht aus Wirtschaftskriminalität", an dem er selbst eine Weile beteiligt war. Von 1975 bis 1987 verwaltete er den Teil des Vermögens, der auf Schweizer Konten deponiert war. "Steuerschlupflöcher zu finden, erschien ihm als erste Bürgerpflicht", schreibt der Sohn.

Was weiß die Buchheim-Stiftung davon? "Nichts", sagt Schreiber schlicht. Bis zum Tod des Stifters im Jahr 2007 stand das Ehepaar Buchheim der Stiftung allein vor. Nach dem Tod ihres Mannes teilte Witwe Diethild den neuen Vorständen mit, es gäbe in der Schweiz ein Kapitalvermögen, das von einem Sponsor stamme. Sie holte knapp 23 Millionen Euro nach Deutschland zurück und veranlasste deren Nachversteuerung durch eine Selbstanzeige. Was dann noch übrig blieb, floss der Stiftung zu und ist seit Ende 2007 in deren geprüften Bilanzen ausgewiesen. Die Erträge kommen dem Museum zugute. Damit wurde, findet Schreiber, das von Buchheim zitierte Motiv für die Steuerhinterziehung - "Lieber Geld für Kunst als für Steuern und Bundeswehrsocken" - widerlegt: Der Staat erhielt, wenn auch spät, seine Steuern.

Ein weiterer Vorwurf: Buchheim war ein besessener Sammler, fragte nicht lang nach der Herkunft der Kunstwerke. Wann und wo er seine einzelnen Werke erworben hat, weiß die Stiftung in vielen Fällen nicht. Doch Oktober 2017 müht sich im Museum eine Provenienzforscherin um die lang versprochene "transparente, umfassende Aufklärung" möglicher Raubkunst-Fälle. Ergebnisse liegen nach vier Monaten noch nicht vor. "Wir haben noch nichts gefunden, was restitutionspflichtig wäre", sagt Schreiber.

Was er am ehesten nachvollziehen kann, ist Buchheims Bedauern über den Abriss der Buchheim-Villa in Feldafing im Oktober. Das desolate Haus war von Schimmel befallen; laut Gutachten hätte eine Sanierung über eine Million Euro gekostet. Auf die Demontage in Feldafing folgt nun die Rekonstruktion in Bernried. Ganze Räume wurden ins Museum übertragen. Auch eine Möglichkeit, sich dem Museumsgründer zu nähern.

© SZ vom 31.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: