Kunst:Schönheit für die Stadt

Lesezeit: 3 min

Seit 25 Jahren gibt es die Augsburger Gesellschaft für Gegenwartskunst. Sie hat namhafte Ausstellungen und eine Artothek möglich gemacht

Von Sabine Reithmaier, Augsburg

Manchmal bleiben einem die Ausstellungen am besten im Kopf, die nicht stattfinden. Vor allem wenn es sich um eine Jubiläumsschau handelt, Stefan Schrammel seufzt ein bisschen. Verständlich bei einem so tollen Projekt: Werke von John Chamberlain, Tony Cragg und Georg Herold sollten sich wie Gäste unter die Exponate des Augsburger Diözesanmuseums St. Afra mischen und mit ihnen Zwiesprache halten. Die Gegenüberstellung von "knallbunten Chamberlain-Schrottbonbons" (Schrammel) und barocken Monstranzen mit Glasglitzeredelsteinimitaten - "das hätte mich sehr gereizt", sagt Schrammel, Vorsitzender der Augsburger Gesellschaft für Gegenwartskunst (GfG).

Die Ausstellung "Zwei³" aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der GfG hätte im November 2018 beginnen sollen, alles war organisiert - keine einfache Sache angesichts der hochwertigen Leihgaben. Doch die neue Glasfassade am Museum wollte und wollte nicht fertig werden. Eine Verschiebung der Schau oder das Finden eines anderen Ausstellungsorts erwiesen sich als unmöglich. Es blieb nur die Absage. "Wer weiß, wozu es gut war", sagt Schrammel philosophisch. Immerhin ist auch dieses verhinderte Zwiegespräch neben der bunten Fülle an geglückten Ausstellungen in dem reich bebilderten Buch dokumentiert, das sich die Gesellschaft zum 25-Jährigen gegönnt hat. Eine gelungene Festschrift, auch wegen der gemalten und gezeichneten Glückwünsche von Künstlern, für die sich die Gesellschaft engagiert hat.

Gast in fremden Räumen: Nikolaus Gerharts "Hohler Granitriegel" im Jahr 1996 im Diözesanmuseum. (Foto: Siegfried Wamese)

Vor etwas mehr als 25 Jahren plagte den jungen, kunstbegeisterten Architekten Schrammel das Gefühl, seine Heimatstadt Augsburg leide an einem Defizit an aktueller Kunst. Nicht zu Unrecht, das "H2 - Zentrum für Gegenwartskunst" im Glaspalast, gab es noch nicht. Anregungen holte sich Schrammel in Köln, seinerzeit der Ort für zeitgenössische Kunst und Dreh- und Angelpunkt der Szene. Joachim Blüher, derzeit noch Direktor der Villa Massimo in Rom, hatte sich dort 1993 mit seiner Galerie gerade selbständig gemacht. Aber in Köln gab es bereits die Galerie Gisela Capitain und, ganz in der Nähe in Frankfurt, die Galerie Bärbel Grässlin, alles Namen, die für die Kunst sammelnde Familie Schrammel als zentrale Anlaufstellen fungierten.

Mit Kunst ist Stefan Schrammel, Jahrgang 1966, seit Kindesbeinen vertraut. "Die Eltern schleppten den Bruder und mich in jede Ausstellung." Dank Capitain und Blüher, beide übrigens Gründungsmitglieder der GfG, habe er viele Blicke hinter die Kulissen werfen können. Blüher schärfte des Architekten Blick für Papierarbeiten, die nach Schrammels Ansicht im Museumsbetrieb allzu oft keinen Platz finden. Dafür bilden sie heute einen Schwerpunkt der GfG-Arbeit, auch deshalb, weil sich für diese Exponate der Besucher Zeit nehmen muss. Blüher hatte damals Lust, sich an der Beseitigung des Augsburger Defizits zu beteiligen. Doch bevor die erste Ausstellung - Arbeiten von Georg Baselitz im Zeughaus - über die Bühne gehen konnte, musste, um Formalitäten, Finanzierungen und Sponsorensuche zu erleichtern, ein Förderverein gegründet werden, die Gesellschaft für Gegenwartskunst. Ihr Kuriosum: Sie besaß nie ein eigenes Domizil, war auf die Räume anderer angewiesen. "Aber es ist eine Riesenchance, unterschiedliche Räumlichkeiten bespielen zu können", findet Schrammel. Der ersten Baselitz-Präsentation 1993 folgten andere Künstler: Günther Förg schuf an die 100 Ölpastelle für eine Ausstellung 1994 im Rathaus. "Da schwenkte er gerade um von den ganz abstrakten Arbeiten aufs Gegenständliche, auf Fuß, Ellbogen, Kopf, Maske", erinnert sich Schrammel. Oder Albert Oehlen, der für die Toskanische Säulenhalle im Zeughaus ebenfalls einen eigenen Zyklus erarbeitete. "Die Begegnungen mit den Künstlern waren immer bereichernd", schwärmt Schrammel und erzählt vom entspannten A.R. Penck, der gern den Biergarten vorm Zeughaus genoss.

Architekt Stefan Schrammel leitet den Verein. (Foto: privat)

Früher folgten die Ausstellungen in kurzen Zeitabständen, allein 1994 fanden drei statt. Inzwischen haben sich die Spannen vergrößert, zum einen aus Kostengründen - Versicherungen und Transporte verschlingen gigantische Summen - , zum anderen weil die aktiven GfG-Mitglieder ehrenamtlich arbeiten. "Und dafür Zeit zu finden, ist in Zeiten der Hochkonjunktur oft schwierig." Schrammel selbst steht dem Verein von Anfang an vor.

1998 entschloss sich der Verein, eine Artothek zu gründen. Mehr als 140 Arbeiten auf und mit Papier gehören zum Bestand der Ausleihstelle, die in das H2 beim Glaspalast gezogen ist. Das Spektrum reicht vom Aquarell bis zur Druckgrafik, von der Ammerseelandschaft bis zu den Bildern Imi Knoebels. "Anlass für die Gründung war, dass wir in der Stadt ständig präsent sein wollten", sagt Schrammel. Die Möglichkeit, sich ein Originalwerk für zwei Monate zu Hause an die Wand zu hängen, werde gut genutzt, wenngleich Schrammel Luft nach oben sieht. "Man muss sich doch nicht immer mit einem Monet-Poster begnügen." Seit 2012 bespielt die GfG das Foyer des Kongresses am Park. Alljährlich gibt es eine Ausstellung mit Arbeiten eines einzelnen Künstlers. "Ziel ist es, die Wahrnehmung der Räume zu verändern, das Gebäude in neues Licht zu rücken", sagt Schrammel. Heuer ist eine Retrospektive von Kotek geplant, der 2015 verstorbenen Augsburger Künstlerin, die bei Daniel Spoerri in München studiert hat.

Bei der Auswahl der Künstler stützt sich Schrammel auf die Expertise von Museumsleuten und Galeristen. "Aber auch immer auf das eigene Gefühl, die eigene Vorliebe." Er habe nie etwas gezeigt, was er nicht mochte, sagt er. Schließlich müsse man in die Organisation einer Ausstellung so viel Herzblut investieren, so viele Durststrecken überwinden. "Das funktioniert nur, wenn man voll und ganz hinter dem Künstler steht." Die nächste große Ausstellung ist 2021 geplant. Mehr verrät Schrammel nicht. Aber er ist ziemlich zuversichtlich, dass alles klappt. "Wir machen das, was geht."

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: