Kunst:Retter mit Makel

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Nicht zu übersehen ist der rote Nippel, der sich vor dem Denkmal von Don Juan d'Austria in der Regensburger Innenstadt aus dem Pflaster wölbt. Installiert hat ihn der rumänische Künstler Dumitru Oboroc. (Foto: Stefan Effenhauser)

Elf Künstler spüren unter dem Motto "Hidden Places / Hidden Spaces" Regensburgs Geheimnissen nach. Das EU-Projekt initiierte die Kulturplattform Donauraum

Von Sabine Reithmaier

So signalrot hat sich Dumitru Oboroc seinen "Nipple Of The City" nicht vorgestellt. Ihm wäre es lieber gewesen, die Passanten wären zufällig über die Erhebung im Pflaster gestolpert. Doch zufällige Begegnungen bergen Verletzungsgefahren, und davor will die Stadt Regensburg eilige Einheimische auf dem Zieroldsplatz genauso schützen wie herumschlendernde Touristen. Aber der rumänische Künstler hätte sich keinen besseren Platz für seine Intervention aussuchen können, mit der er auf unterschwellig in den Tiefen der Geschichte Brodelndes aufmerksam zu machen versucht.

Direkt vor dem Denkmal Don Juan d'Austrias hat er den Nippel platziert. Don Juan, seit 1571 ein "Retter des Abendlandes" - er siegte als Oberbefehlshaber der Mittelmeerflotte in der Seeschlacht von Lepanto über die Türken - ist ein unehelicher Sohn Kaiser Karl V. und der damals 18-jährigen Regensburgerin Barbara Blomberg, quasi ein Nebenprodukt eines Reichstags, der 1546 in Regensburg stattfand. Die Geburt wurde geheimgehalten, Barbara auf Wunsch des Kaisers mit einem Musterungskommissär der kaiserlichen Armee verheiratet. Wie sie sich damals fühlte, weiß man nicht - und genau daran erinnert der Nippel.

Oboroc ist einer der elf Künstler, die unter dem Motto "Hidden Places / Hidden Spaces" verborgenen Plätzen und Räumen in Regensburg nachspüren. Initiiert durch das EU-Projekt "Kulturplattform Donauraum" unter der Federführung des österreichischen Bundeskanzleramts hat die Stadt gemeinsam mit dem Verein Donumenta, der seit Jahren erfolgreich zeitgenössische Kunst aus osteuropäischen Ländern nach Regensburg holt, im Vorjahr das "Danube Art Lab" gegründet. Ein Artist-in-Residence-Programm, dessen fabelhafte Ergebnisse man jetzt auf einem Spaziergang erleben kann.

Alexandru Raevschi aus Moldawien hat am St. Georgen-Platz drei Quader in der römischen Legionslagermauer verspiegelt. Beim Vorübergehen nimmt der Passant zwar das alte Gemäuer wahr, sieht aber nicht nur sich selbst, zigfach aufgesplittert, sondern auch das neue Museum der Bayerischen Geschichte, ein gelungenes Spiel mit Gegenwart und Vergangenheit. Anrührend ist Selma Selmanns Installation in der Maximilianstraße. "I wish I had a German Passport" nennt die gebürtige Romni aus Bosnien-Herzegowina ihre Video-Installation auf Bunkerbetten in einem Schaufenster. Sie verarbeitet ihre eigene Geschichte: 1991 während des Jugoslawienkriegs geboren, suchte sie mit ihrer Familie oft in Bunkern Schutz. Anders als die Regensburger, die die Betten im ehemaligen Luftschutzbunker unter dem Thon-Dittmer-Palais, eingerichtet in der Zeit des Kalten Kriegs, nie benutzen mussten.

Die Tschechin Alena Foustková, fasziniert von den Klöstern der Stadt, hat eine Klosterzelle aus durchsichtigem Polycarbonat nachgebaut. Wer sie betritt, ist von der Außenwelt abgeschnitten, sollte die Geräusche ausschließlich über Beschriftungen an den transparenten Wänden wahrnehmen: "Glocke", "Hupe" oder "Schrei" liest man, dazu eine Dezibel-Angabe. Tatsächlich assoziiert das Gehirn sofort drauflos - die Autos, die auf dem Kopfsteinpflaster vorbei dröhnen, lassen sich allerdings nicht verdrängen.

Da hat es Borjana Ventzislavova wunderbar theatralische Inszenierung leichter. Die Bulgarin hat den Anatomieturm mit schwerem roten Purpurstoff verhüllt. Notburga Karl widmet sich dem Astronomen Johannes Kepler, der 1630 in Regensburg starb. Den kreisrunden Gedenktempel an der Fürst Anselm-Allee hat sie mit einer großen Ellipse versehen, passend zu Keplers Entdeckung, dass sich die Planeten nicht in Kreisbahnen, sondern in Ellipsen um die Sonne bewegen. Elegant schwingt "Parabelle" zwischen den Säulen des Monopteros, von einem groben Rowdy allerdings bereits leicht aus der Bahn getreten.

Vertiefen lassen sich die Eindrücke durch die Begleitausstellung im "Leeren Beutel". Dort finden sich auch die Projekte, die noch nicht verwirklicht sind. Der 20 Meter hohe "Schwarze Turm" aus Schaumstoffstäben etwa, den die Ungarin Klára Orosz an der Nordseite der Steinernen Brücke bauen möchte und der jetzt am Brandschutz scheiterte. Aber 2019 soll er realisiert werden.

Hidden Places/Hidden Spaces ; Danube Art Lab, bis 14. Okt., Stadtgebiet Regensburg, Ausstellung im Leeren Beutel, bis 18. November, regensburg.de/danube-art-lab

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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