Eigentlich kündigen Museen ihre Ausstellungen auf der eigenen Website selten mit Warnungen an. "Hinweis:", heißt es jedoch beim Walker Arts Center, "Während Jimmie Durham sich selbst als Cherokee Indianer ansieht, wird er von keiner der drei Cherokee Nations anerkannt, die es sich als souveräne Staaten vorbehalten, über Zugehörigkeit selbst zu entscheiden." Es erscheint bizarr. Warum wird die Herkunft eines bedeutenden, international gefeierten Künstlers in dieser Weise ausgebreitet?
Anlass ist ein Brief von zehn Künstlern, Kuratoren, Autoren, Politikern und Forschern an das Magazin Indian Country Today, der mit dem Satz "Liebe ahnungslose Öffentlichkeit, Jimmie Durham ist ein Betrüger", beginnt. Der Künstler habe seine indianische Herkunft erfunden, um sich eine kulturelle Identität anzueignen. Keiner der Cherokeestämme kenne Durham als Mitglied der Gemeinschaft. Er untergrabe so die Souveränität der Stämme und banalisiere die Arbeit indigener Künstler.
"Selbst wenn Durham Cherokee wäre, dürfte er seine Werke in den USA nicht verkaufen."
Der Streit um die Ausstellung ist charakteristisch für die Debatte um Identität, Herkunft, Hautfarbe, Rasse und Nationalität, die in der zeitgenössischen Kunst geführt wird. Die Frage also, wer berechtigt ist, in wessen Namen zu sprechen.
Es schon das zweite Mal in diesem Jahr, dass sich das Museum in Minneapolis vor indianischen Interessenvertretern rechtfertigen muss. Erst im Mai hatten sie gegen die Aufstellung des Werks "Scaffold" von Sam Durant im Skulpturengarten protestiert, einer gewaltigen Konstruktion, die an die Galgen amerikanischer Massenhinrichtungen erinnert, auch an das Hängen von 38 Indianern 1862 in Minnesota. "Das ist nicht eure Geschichte" stand auf den Transparenten der Stammesvertreter. Es sei befremdlich, dass ein nicht-indianischer Künstler das Thema in einem Museum verhandele. "Unsere Ahnen haben ihr ganzes Leben darüber gesprochen, und man hat ihnen nicht zugehört."
An der Karriere des 1940 in Arkansas geborenen Durham lässt sich der Wandel der Identitätspolitik hervorragend ablesen. Seit den Siebzigerjahren war er einer der prominentesten Aktivisten und Bürgerrechtler der USA. Als Mitbegründer und Vorsitzender des International Indian Treaty Council vertrat er die Belange der amerikanischen Ureinwohner auch bei den Vereinten Nationen in Genf. In den letzten Jahren - er hat die Vereinigten Staaten seit Langem nicht mehr besucht - lebte er in Berlin, stellte in bedeutenden europäischen Museen aus, wurde zur Documenta und zur Biennale von Venedig geladen und im vergangenen Jahr mit dem Goslaer Kaiserring ausgezeichnet, einer bedeutenden Auszeichnungen für Bildhauer.
"Seine Veröffentlichungen zur Minderheitenpolitik haben mich sehr beeinflusst", sagt Documenta-Kuratorin Candice Hopkins, zudem habe Durham "immer für eine größere Sichtbarkeit indigener Kunst" gekämpft. Er selbst hat sich aber nie als Angehöriger oder gar Sprecher der Cherokee verstanden. Umgekehrt ist es den native nations aber ein großes Anliegen, selbst festzulegen, wer zu ihren Gesellschaften gehört. Es geht um ihre Souveränität und darum, die Einmischung des amerikanischen Staats zurückzuweisen. Viele Stämme verfolgen bei der Feststellung der Zugehörigkeit eine harte Linie, manche stoßen sogar die Nachkommen gemischter Ehen aus.
Durham selbst äußert sich zu der Debatte nicht. Es ist aber gut vorstellbar, dass er den Streit um seine Person und seine Kunst als produktiv empfindet. Beiläufig kommentierte er die identitätspolitischen Grenzziehungen schon 1993, als Lucy Lippard in einem Artikel für Art in America geschrieben hatte, seine Familie habe der Peyote-rauchenden Native American Church angehört. In einem Leserbrief an das Magazin stellte er klar: "Ich bin kein Cherokee. Ich bin nach US-Rechtssprechung kein Indianer, denn ich bin nicht in einem Reservat und nicht in einer indianischen Gemeinschaft eingetragen."
Er könnte sich dabei auch auf den Indian Arts and Crafts Act bezogen haben, der den Verkauf indianischer Kunst ahndet, die nicht von einem Mitglied der anerkannten Stämme hergestellt wurde. "Selbst wenn Durham von einem Cherokee abstammen sollte", so der auf solche Fälle spezialisierte Anwalt Bree Black Horse gegenüber dem Magazin Hyperallergic, "dürfte er seine Werke in den USA nicht verkaufen."
Die Ausstellung enthalte zwar keine verkäuflichen Werke, "könnte aber den Geist dieser Gesetze verletzen", so Black Horse. Anfang der Neunzigerjahre hätten zwei Galerien in Santa Fe und San Francisco deswegen schon Ausstellungen abgesagt. Laut Geoffrey Stamm vom Indian Arts and Crafts Board könnte Durham dafür sogar ins Gefängnis wandern.
Aber hat Durham seine Kunst tatsächlich als Stammeskunst ausgegeben? Wer sein Werk genau betrachtet - die an Fetische erinnernden Puppen, die aus Lehm und Holz gefertigten Köpfe, die Lumpen, Federn, Schädel und Lederstücke - kann erkennen, dass die Klitterungen sein Mittel sind, herkömmliche Vorstellungen von Skulptur zu unterwandern.
Kritiker verweisen jetzt auf die vielen frühen Skulpturen in der Ausstellung, die indianische Motive zeigen, die Sprache der Cherokee aufnehmen und sich auf die Geschichte der Cherokee beziehen. Schon die erste Arbeit, ein Selbstporträt von 1986, thematisiert die Problematik der Zugehörigkeit: "Meine Haut ist nicht wirklich so dunkel", hat er auf ein Bein geschrieben, das abgebildet ist, "aber ich bin sicher, viele Indianer haben kupferfarbene Haut."
"Bei seinem Werk handelt es sich um eine scharfe Kritik der weißen Darstellung der Indianer."
Richard Hill, der an der Emily Carr University in Vancouver für indigene Studien zuständig ist, bezweifelt, dass das Werk Durhams die Kultur der Cherokee repräsentieren will. "Im Gegenteil", schreibt er an die SZ, "es handelt sich um eine scharfe Kritik der weißen Darstellung amerikanischer Indianer. Die Idee, dass er in seiner Kunst die Kultur der Cherokee falsch repräsentiert, geht am Kern des Werks vorbei. Er ist ein brillanter Bildhauer, und ich bin sicher, der Wert seiner Arbeit wird diese Kontroversen und kurzsichtigen Diskussionen um Identität um einige Zeit überleben."
Vielleicht richtet sich der Protest der Stämme auch weniger gegen Durham als gegen das Museum. Als die Werkschau zunächst im Hammer Museum in Los Angeles gezeigt wurde, gab es keinen Protest. Minneapolis aber ist Geburtsort der indigenen Bewegung. Deren Anhänger fühlen sich vom Walker Arts Center ignoriert.
Dyani White Hawk, eine indianische Künstlerin, die wir andere vor der Ausstellung um die Cherokee-Hinweise neben dem großen Wandtext gerungen hat, sagt, es gehe auch darum, dass "noch nie ein Katalog dieses Umfangs und dieser wissenschaftlichen Aufmerksamkeit über die Einzelschau eines Native Artist herausgegeben wurde".
Es ist zu hoffen, dass solche Proteste in Zukunft nicht länger nur auf Künstler wie Durham zielen, sondern auch auf die Institutionen.