Kunst:Hokusais Köpfe

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(Foto: Van Ham Kunstauktionen/Sasa Fuis)

Von Michael Kohler

Wie fasst man Leben und Werk des großen japanischen Künstlers Katsushika Hokusai (1760-1849) zusammen? Zum Beispiel mit Zahlen: Er schuf nicht weniger als 30 000 Bilder, nahm im Lauf seiner Karriere mehr als 50 Namen an (darunter den des "malbesessenen Alten"), er zeichnete die 53 Stationen an der Küstenstraße zwischen Tokio und Kyoto im reisefreundlichen Kleinformat und er entwarf mit den "36 Ansichten des Berges Fuji" eine Bilderserie, die bis heute und vermutlich für alle Zeiten seinen Ruhm sichert. Als Hokusai selbst das Ende kommen sah und die Summe seines malerischen Wissens ziehen wollte, legte er seine Meisterschaft dann allerdings in ein Motiv, das auf den ersten Blick vor allem makaber wirkt: "Zwei abgetrennte Köpfe". Es entstand vermutlich im Jahr 1847, wurde laut Signatur vom "88 Jahre alten Manji" auf Seide gemalt (in Japan zählte man das Lebensjahr im Mutterleib mit) und zeigt die abgeschlagenen Köpfe zweier Männer mit blutenden Ohren im Schilf. Es ist also kein gewöhnlicher Tod, den sich Hokusai für sein Vermächtnis aussuchte, sondern einer, der plötzlich kommt und sein Opfer buchstäblich mit einem Hieb aus dem Leben reißt. Genau solche frisch abgeschlagenen Köpfe brauchte er, um den kurzen Moment zwischen Leben und Tod einzufangen, den Augenblick, in dem das Leben am flüchtigsten und deshalb kostbarsten erscheint. Dazu verlieh er dem Gemälde nicht nur eine besondere Tiefenwirkung, indem er auch dessen Rückseite bemalte, er verwendete zudem besondere Mühe auf die Augen. Sie sollen einerseits tot wirken, uns aber zugleich mit ihren Blicken durchdringen. In das Grinsen des linken Kopfes sind schon einige Bedeutungen gelegt worden, diese liegt am nächsten: Der greise Hokusai freute sich, dem Tod so nahe gekommen zu sein und doch zu leben.

Sein Bild hängt nun im Kölner Museum für Ostasiatische Kunst. Hier bildet es einen Höhepunkt der wunderbaren Jubiläumsausstellung "Alles unter dem Himmel", die allerdings klassisch kölnisch mit einem Jahr Verspätung eröffnet wurde. Im Feierjahr selbst musste der kaputt gesparte städtische Museumsbau wegen Sanierungsarbeiten teilweise geschlossen bleiben.

Ähnliche Geldsorgen kannte schon Hokusai. Mit den häufigen Namenswechseln wollte er vermutlich seinen zahlreichen Gläubigern entkommen.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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