Kunst:Freche Lügen

Ein großer Erfinder, Kobold und Architekturdadaist: Der Autor und Zeichner Gottfried Müller setzt Gebäude wie das achtgeschossige Zwergenhaus in die Welt, die so schön sind, dass es sie unbedingt wirklich geben müsste.

Von GOTTFRIED KNAPP

Das achtgeschossige Zwergenhaus aus Holz, das der nur 1,16 Meter große Reeder Gilles Charlemont um 1670 von Schiffszimmerleuten zwischen seine beiden normal dimensionierten steinernen Lagerhäuser hineinhängen und zum Stammsitz seiner kleinwüchsigen Familie ausbauen ließ, ist eine der vielen knirschend verschrobenen Architektur-Erfindungen, die der Autor und Zeichner Gottfried Müller bislang in liebevoll gestalteten Klein-Editionen veröffentlicht hat.

Jetzt hat der Meister der himmlischen Lügen - wieder im Selbstverlag - unter dem lautmalenden Titel "Schwallungen" eine Anthologie seiner ironisch irrlichternden Bild- Text-Kunstwerke zusammengestellt (ISBN 978-3-00-060313-6). Man kann nun also nachgenießen, auf welchen Geistesgebieten der schreibende und zeichnende Kobold in den letzten Jahren Unheil gestiftet hat. Ein schönes Beispiel für seine illusionistische Meisterschaft ist die "Anweisung zur zweckmäßigen Behandlung und Rettung der Scheintodten", die 1820 in Berlin gedruckt worden sein soll, jedenfalls die schaurigen Anweisungen zur Rettung so gruselig überzeugend simuliert, dass eigentlich die Medizingeschichte umgeschrieben werden müsste.

Aber nicht nur zoologische Schautafeln kann Müller täuschend echt evozieren, auch romantische Landschaftsaquarelle lässt er in einer Perfektion erstehen, dass Gutachter des Kunstmarkts künftig auf der Hut sein müssen.

In diesem Jahr hat Müller eine neue Werkreihe begonnen. Er schneidet aus Zeitungen skurril-rätselhafte Pressebilder aus und setzt dann getippte Texte darunter, die in primitiv-naiver Direktheit die Bildrätsel zu lösen scheinen, den Lesern aber allenfalls die Haare zu Berge stehen lassen. Zwölf dieser "Mini-Fotoromane" sind bis Silvester in der Münchner Buchhandlung Moths (Rumfordstraße 48) ausgestellt.

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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