Kultur:Vergänglichkeit und Auferstehung

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Das Bühnenbild zu "Monade" spielt an auf die Architektur gotischer Kirchen. (Foto: Jesús Vallinas)

Goyo Montero und Mauro Bigonzetti choreografieren den zweiteiligen Tanzabend des Nürnberger Staatsballetts als Verbindung von barocker Form und modernem Ausdruck

Von Florian Welle

Der Barock ist die Klammer, die den Tanzabend des Nürnberger Staatsballetts zusammenhält. Barock: Das ist ausgelassene Lebensfreude im Angesicht des Todes. "Monade" hat Nürnbergs Ballettdirektor Goyo Montero den zweiteiligen Abend überschrieben. "Monade" heißt aber auch sein Werk, das nach der Pause zur Uraufführung kommt. Der Titel, abgeleitet vom altgriechischen Wort monás für Einheit, ist Programm.

Zuerst entführt Mauro Bigonzetti mit seiner luftigen Choreografie "Antiche Danze" in eine französische Gartenanlage. Danach nimmt uns Montero in seiner ernsten Tanzkreation "Monade" mit an einen sakralen Ort. Vielleicht handelt es sich um eine Kirche, vielleicht um ein Mausoleum. Bigonzetti und Montero verbindet eine enge Freundschaft - einst tanzte der Spanier in Bigonzettis "Turnpike". Bigonzetti, viele Jahre Direktor der Compagnie Aterballetto, hat sein Werk 2014 für das "Balé da Cidade de São Paulo" entworfen. Es basiert auf den drei Orchestersuiten "Antiche danze ed arie" von Ottorino Respighi. In den zwischen 1916 und 1931 entstandenen Stücken nimmt der Komponist Anleihen bei Lautenwerken des Barocks. Das Ergebnis ist gefällig, zumal wenn es mit einem so warmen Klang vorgetragen wird, wie es die Philharmoniker unter der Leitung von Tarmo Vaask machen.

Ähnlich wie Respighi Altes mit Neuem verband, so greift auch Bigonzetti in seiner Choreographie auf Elemente des höfischen Gesellschaftstanzes zurück und integriert sie in seine athletisch-moderne Bewegungssprache. Zu erleben ist so eine aufregende Mischung etwa aus Schrittfolgen des Menuetts mit akrobatischen Hebefiguren oder weitausholenden Bewegungen der Extremitäten, bei denen Arme und Beine an wirbelnde Bänder erinnern.

Die Choreografie, vom Ensemble mit Akkuratesse umgesetzt, orientiert sich an der symmetrischen Gestalt eines Barockgartens. Unterstützt von einer subtilen Lichtregie bilden die Tänzer Gassen und Blickachsen. Immer wieder scheren Paare zum Pas de deux aus, man umgarnt, neckt sich. Ein besonders schöner Einfall: Die Tänzerinnen stülpen sich ihre Reifröcke umgekehrt über die Köpfe und erinnern so an Blumenkelche, die sich öffnen und zu blühen beginnen. "Antiche Danze" ist technisch anspruchsvoller, spielerisch gewitzter Tanzgenuss.

Mut zum Risiko zeichnet Goyo Montero aus. Der Ballettdirektor, der Nürnberg und dem Staatsballett auch nach dem Intendantenwechsel 2018 erhalten bleibt, ruht sich nie auf Erfolgen aus. Stets geht der versierte Psychologe des Tanzes neue Wege. So auch in "Monade", wo er den Versuch unternimmt, sein Ensemble mit dem Chor des Staatstheaters zu einer Einheit zu verschmelzen. Fast ununterbrochen sind 50 in schwarz gekleidete Menschen auf der Bühne.

Grundlage von "Monade" sind Kantaten und Motetten von Bach. Es ist Monteros bislang persönlichstes Werk, dem Vater gewidmet. Die Motette "Ich lasse Dich nicht" mit der Zeile "Dein Kind wirst du verlassen nicht, Du väterliches Herz", lässt sich auch als Verneigung vor dem eigenen Vater lesen. Spirituelle Fragen nach Tod, Vergänglichkeit, Erlösung und Auferstehung stehen im Zentrum des Stückes. Das Bühnenbild deutet ein gotisches Strebewerk an, unter dem sich zunächst der Chor aufstellt und den Vordergrund für eine dynamische Gruppenchoreografie freigibt.

Doch dann wird es unruhig. Die Chorsänger beginnen hin und her zu wandern und verdecken so die Tänzer, deren Bewegungen zu folgen nun mitunter Mühe bereitet. So wie das fabelhafte Ensemble es insgesamt schwer hat, sich gegen die feierlich getragene Musik des stimmgewaltigen Chors zu behaupten und die Monade zu ihrer Vollendung zu bringen.

Monade, nächste Vorstellung Dienstag, 13. Dezember, 20 Uhr, Staatstheater Nürnberg

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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