Kultur und Politik:Chefkurator Macron

Der "Teppich von Bayeux" aus dem Mittelalter zeigt als Bildergeschichte einen britischen Gründungsmythos. Jetzt will Frankreich ihn zum ersten Mal in der Geschichte auf die Insel ausleihen - eine freundliche Geste trotz Brexit.

Von Alexander Menden

Frankreich will den Teppich von Bayeux erstmals seit seiner Entstehung um das Jahr 1070 nach Großbritannien ausleihen. Laut britischen und französischen Medien wird Präsident Emmanuel Macron an diesem Donnerstag beim Treffen mit Premierministerin Theresa May in Sandhurst seine grundsätzliche Zustimmung zum Verleih der Stickerei innerhalb der kommenden fünf Jahre erteilen. Der 68 Meter lange Teppich von Bayeux zeigt als Bildergeschichte in mehr als 50 Szenen die Eroberung Englands durch den Normannenherrscher Wilhelm im Jahre 1066. Das Werk, wohl im Auftrag von Wilhelms Halbbruder Odo entstanden, stellt einen Gründungsmythos des post-angelsächsischen England dar. Es ist für das englische Selbstverständnis von besonderer Bedeutung, weil Wilhelms Sieg bei der entscheidenden Schlacht von Hastings die bisher letzte erfolgreiche Eroberung der britischen Inseln vom europäischen Festland aus markierte.

Unter den Vorzeichen des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der EU dürfte die Reise der Stickerei über den Ärmelkanal von beiden Seiten als politische Geste zur langfristigen gedeihlichen Zusammenarbeit wahrgenommen werden. Der Teppich von Bayeux galt bisher als zu empfindlich für einen Transport. Lange verschollen und erst im 15. Jahrhundert in der Kathedrale von Bayeux wiederentdeckt, überlebte er unter anderem einen hugenottischen Bildersturm. Frühere britische Versuche, die Stickerei zu leihen, etwa zur Krönung von Elisabeth II., scheiterten am Veto der französischen Kuratoren. Ein genauer Termin steht noch ebenso wenig fest wie der Ort, an dem der Teppich ausgestellt werden soll.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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