Künstlerleben:Kunst im Korsett

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María Hesse: Frida Kahlo – Eine Biografie. Mit zahlreichen Illustrationen. Insel Verlag, Berlin 2018. 143 Seiten, 20 Euro. (Foto: Verlag)

Eine Biografie der mexikanischen Malerin Frida Kahlo, in der an ihren Bildern ihr aufregendes Leben gezeigt wird. Mit einer Filmographie und Bibliographie.

Von Anette Dittel

Während im Rahmen der "Me Too"- Debatte darüber diskutiert wird, inwieweit das Lebenswerk eines Menschen unabhängig von seiner Biografie betrachtet werden kann, attestiert das Victoria & Albert Museum in London anhand einer Werkschau von Frida Kahlo, dass sich in ihrem Fall das eine nicht vom anderen trennen lässt. Neben der Kunst werden auch ihre Kleider, Kosmetik und das Gipskorsett gezeigt, das sie nach zwei tragischen Unfällen und zahlreichen Operationen tragen musste.

Dieser Betrachtungsweise schließt sich auch María Hesse in der von ihr gezeichneten Biografie "Frida Kahlo" an. Deren Malerei dient ihr als Ausgangsmaterial, um den Lebensweg im wahrsten Sinne des Wortes nachzuzeichnen. So befreit sie die dem Surrealismus zugesprochenen Gemälde von ihren farbigen Hintergründen. Erklärt die Motive - Menschen, Tiere und Symbole - zu den Hauptdarstellern ihres Buchs. So lässt sie das oft porträtierte Äffchen zum Haustier werden und wie die Katze in unseren Breitengraden das Geschehen um sich herum betrachten. Zeigt, wie sich Frida Kahlo aus Liebeskummer vor dem Spiegel die Haare abschneidet und damit einen neuen Lebensabschnitt markiert. So gelingt es Hesse, eine große Nähe zu ihrer Protagonistin aufzubauen. Obendrein schafft sie eine Vorstellung für die Entstehungsgeschichte hinter den Bildern: Kahlo an der Staffelei, Kahlo als Dozentin an der Kunstakademie, Kahlo bei einer Vernissage in einer Galerie.

So spielt die Grafik eine weit größere Rolle, als nur der Illustration des Textes zu dienen. Der großflächig angelegte Zeichenstil mitsamt seinen bedeutungsvollen Details entspricht den Texten. Besonders auffällig ist die Gegenüberstellung der fast schon anatomisch anmutenden Darstellung des tiefroten Herzens mit einem Memento mori in Form von Totenschädeln, Fischgräten und Skeletten. Sie geben eindrucksvoll den Überlebenskampf zwischen andauernden Schmerzen, Schicksalsschlägen und dem Einfluss von Medikamenten und Alkohol wieder, den Frida Kahlo dann im Alter von 47 Jahren verloren hat. Die chronologische Erzählweise wird von thematischen Doppelseiten unterbrochen, um ihren Kochkünsten, ihren Liebschaften (Männern wie Frauen) oder ihrem alles umfassenden Gestaltungswillen (selbst der orthopädische Schuh wurde mit kleinem Glöckchen geschmückt) mehr Raum zu geben.

Alle Bilder, die María Hesse zur Inspiration gedient haben, werden am Ende noch einmal namentlich und mit einer persönlichen Einordnung gelistet, gefolgt von einer Bibliografie und Filmografie, welche die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Leben der Frida Kahlo hinter der ansonsten leichtfüßigen Erzählweise erkennen lässt: Selbst die Ich-Perspektive schwebt nicht im leeren Raum, sondern wird mit Zitaten untermauert. Auf diese Weise erhalten auch Aussagen, die sich längst zu Aphorismen entwickelt haben, wieder mehr Bedeutung, als nur ein Zitat in der Kategorie Lebenshilfe auf Pinterest zu sein. (ab 12 Jahre)

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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