Kriegsgeschichte:Besetztes Land

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Ein niederländischer Junge erlebt den Zweiten Weltkrieg und die elterliche Unterstützung der Untergrundbewegung.

Von Siggi Seuss

Trotz der tragischen Ereignisse, von denen der junge Joop berichtet, ist Dolf Verroens Erzählung von "Krieg und Freundschaft" ein leises Buch. Der niederländische Kinderbuchautor, der im November 88 Jahre alt geworden ist, lässt die Zeit vom Frühjahr 1944 bis zur Befreiung seines Landes im Mai 1945 lebendig werden.

Nicht als Erinnerung eines gereiften Mannes, sondern konsequent aus der Sicht eines elf- oder zwölfjährigen Jungen, der in einer nicht näher genannten niederländischen Stadt am Meer lebt. Charlotte Dematons illustriert die Geschichte mit realistischen, schwarz-weiß schattierten Szenen aus dem Alltag des Jungen. Joop selbst bezeichnet sich als Außenseiter, mit Schlappohren und einer Brille mit dicken Gläsern. Seine Eltern und die Großmutter unterstützen die Untergrundbewegung und verstecken sogar flüchtige Widerstandskämpfer in ihrer Wohnung. Wijntje, ein couragiertes Mädchen aus der Nachbarschaft, das kein Blatt vor den Mund nimmt, wird Joops einzige Vertraute in der Klasse. Mit seinem Sitznachbarn Kees wäre er zwar gern befreundet - beide schließen sogar Blutsbrüderschaft - aber seine Eltern mögen den Sohn holländischer Nationalsozialisten nicht, und Kees selbst verhält sich gegenüber Joop wankelmütig.

Es wäre aber falsch zu glauben, Verroen berichte nur von den normalen Nöten eines Kindes vor der bedrohlichen Kulisse des Kriegsalltags in einem besetzten Land. Nein, er schildert in kurzen Kapiteln subtil die Beobachtungen eines Kindes, dessen Leben mehr und mehr von den Auswirkungen katastrophaler Ereignisse durchdrungen wird, ohne dass er sich ihnen auch nur im Geringsten entziehen kann. Zwar lernt Joop immer mehr Gut und Böse, Richtig und Falsch zu unterscheiden - dank der Eltern und anderer mutiger Menschen in seiner Nähe. Sein Handeln jedoch wird dadurch von Tag zu Tag riskanter. Lehrer und Klassenkameraden drehen sich weg, wenn Irma, das jüdische Mädchen, die Klasse verlassen muss, Opportunisten spielen sich auf, es wird denunziert, Hausdurchsuchungen finden statt, Menschen werden gedemütigt, verhaftet oder gar getötet. Andere kollaborieren mit den Besatzern. Und viele tun so, als wenn nichts wäre, selbst wenn das vertraute Leben im Stadtviertel gänzlich erlischt.

Der junge Joop registriert alles aufmerksam, versteht aber nur, was seine unmittelbare Umgebung betrifft. Ohne die Hintergründe des familiären, gesellschaftlichen und politischen Lebens der Zeit romanhaft auszuleuchten, gelingt Dolf Verroen mit diesem Buch - übersetzt von Rolf Erdorf - eine vor allem für ganz junge Heranwachsende verständliche und eindringliche Erzählung über das, was damals geschah, und über das, was im Leben wirklich zählt. (ab 12 Jahre).

Dolf Verroen: Krieg und Freundschaft. Mit Zeichnungen von Charlotte Dematons. Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016. 150 Seiten, 10 Euro.

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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