Konzert in München:Simon Rattle mit Rameau

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Von Reinhard J. Brembeck

Das Länderspiel Frankreich-Deutschland endete im Münchner Herkulessaal 2:1 für die Gäste. Simon Rattle, der langjährige Chef der Berliner Philharmoniker, ließ beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Robert Schumann und Richard Strauss gegen Hector Berlioz und Jean-Philippe Rameau antreten. So bekannt diese Komponisten sind, so selten sind die von Rattle gespielten Stücke zu hören.

Er setzte in diesem ungewöhnlichen Programm mit der "Genoveva"-Ouverture und der ohne Sänger auskommenden instrumentalen Liebesszene aus "Roméo et Juliette" Liebesgeschichte gegen Liebesgeschichte, er zeichnete mit dem zweiten, Strauss-Vater gewidmeten, Hornkonzert und den Tanzstücken aus Rameaus letzter Oper "Abaris ou Les Boréades" komplizierte Vater-Sohn-Beziehungen. Während sich Schumann gegen Berlioz tapfer schlug, unterlag Strauss gegen Rameau - beide waren fast 80 Jahre alt, als sie die hier gespielten Stücke komponierten. Das lag nicht an dem Solisten Eric Terwilliger, der erst kürzlich altersbedingt das Orchester verlassen hat, sondern an der girlandenhaften Plauderei dieses Konzerts.

Die Rameau-Stücke sind eines der großen Meisterwerke nicht nur der Barockmusik. Der Komponist verbindet wie üblich die Volkstümlichkeit der Jahrmärkte mit avantgardistischer Harmonik, ausgetüftelten Verzierungsorgien und Virtuosität. Rattle, der bis auf das Hornkonzert stets auswendig dirigiert, hat die vier von Marco Postinghel grandios angeführten Fagottisten nach vorn an die Rampe gesetzt. Während häufig die Fagottisten im Orchester und der Bassgruppe verschwinden, dürfen sie hier gut sicht- und hörbar ihre Capriolen ausleben. Es ist ein riesiges Vergnügen. Die Streicher spielen ohne Vibrato und in den Rasantläufen mit einem entwaffnenden Understatement. Eine solche Virtuosität wirkt bei Mahler und Strauss selbstverständlich, bei Rameau aber völlig verblüffend. So wird verständlich, warum diese Musik von Traditionsorchestern so gut wie nie gespielt wird, was diesen Umstand umso bedauerlicher macht. Aber dazu braucht es eben einen experimentierfreudigen und immer am Neuen interessierten Dirigenten wie Rattle. Der ist einmalig.

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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