Konzert für Mariss Jansons:Trauergestus

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Das Kondolenzbuch für Jansons im Foyer des Münchner Herkulessaal. (Foto: Florian Peljak)

Der Dirigent Franz Welser-Möst gibt mit den BR-Sinfonikern, die Mariss Jansons sechzehn Jahre lang geleitet hat, in München ein bewegendes Gedenkkonzert.

Von Reinhard J. Brembeck

Das Kondolenzbuch für den vor einer Woche gestorbenen Dirigenten Mariss Jansons liegt im Foyer des Münchner Herkulessaal aus, davor warten schweigend jene Konzertbesucher, die ihm ein letztes Lebwohl schreiben wollen. Das Konzert danach mit Dirigent Franz Welser-Möst und den BR-Sinfonikern, die Jansons während der letzten sechzehn Jahre lang als Chefdirigent geleitet hat, wird über weite Strecken zu einem Gedenkkonzert, was eine herkömmliche Kritik unmöglich macht.

Es gibt etliche Programmänderungen. Zu Beginn spielen die Sinfoniker ohne Dirigenten den langsamen Satz aus Franz Schuberts "Unvollendeter", die sie oft zusammen mit Jansons aufgeführt haben. Sie spielen technisch überzeugend, doch wird die Darbietung zu einem Plädoyer für die Notwendigkeit eines Dirigenten bei solcher Musik. Denn der erst kann die Nuancen in einem so großen Kollektiv steuern und gewichten, der erst kann die Willensäußerungen der Vielen mit seiner Vorstellung von einer Komposition zusammenführen und zu einer Einheit formen.

Nach der Pause singt der BR-Chor, angeleitet von seinem Chefdirigenten Howard Arman, den vierten Satz aus Alfred Schnittkes Chor-Konzert, eine innige Bitte um Vollendung, die durch die Trauerstimmung des Abends intensiviert wird. Franz Welser-Möst dirigiert dann zum Abschluss statt der angekündigten "Sinfonia Domestica" von Richard Strauss dessen "Tod und Verklärung". Er bittet vor dem ersten Ton darum, dass man danach in Stille auseinandergehen möge, und so verlassen Publikum und Musiker denn auch leise den Saal. Kein Beifall, nur Betroffenheit.

Wäre es also nicht gleich besser gewesen unter dem unmittelbaren Schock, verursacht durch Jansons' Tod, ein Requiem von Chor und Orchester musizieren zu lassen? Das ging wohl nicht, war doch das Klavierkonzert "Left, Alone" des 1952 in Dänemark geborenen Hans Abrahamsen programmiert, das Alexandre Tharaud spielte, der Widmungsträger des vor zwei Jahren von ihm uraufgeführten Stücks. Die Beschränkung auf die linke Hand allein kommt der oft kargen, immer atmosphärisch filigranen und gern minimalistisch ausgelichteten Klangwelt unterstützend entgegen. Abrahamsen hat unter anderem bei György Ligeti gelernt, dessen in rhythmische Vexierspiele verliebten Klavieretüden er hier beruhigend weiterdenkt. Naturhaftes mischt sich mit Sprödem, Megavirtuoses steht gegen luminose Schlichtheit. Das ergibt eine flirrendes Tableau, eine Art digitale Feenwelt, die sich in zwei Sätzen aus Hans Werner Henzes "Sonatina 1947" erahnen ließ, die von Abrahamsen in "Two Last Movements" orchestriert wurden. Aber das alles war aus einer anderen Welt, die quer stand zum Trauergestus dieses Konzerts.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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