Kommentar:In schlechter Tradition

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(Foto: sz)

In Wien haben Rechtsextreme eine Aufführung von Elfriede Jelineks "Schutzbefohlenen" gestürmt. Es ist nicht der erste rechte Angriff auf das Theater.

Von Reinhard Brembeck

Am Donnerstag hat eine Truppe rechtsextremer Aktivisten eine Tourneeaufführung von "Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene" im Audimax der Universität Wien gestört. Diese vom Künstlerkollektiv "Die schweigende Mehrheit sagt JA" erarbeitete, von Flüchtlingen gespielte und preisgekrönte Arbeit basiert auf einem derzeit viel gespielten Text Elfriede Jelineks. Er kritisiert die EU-Flüchtlingspolitik vor dem Hintergrund der Literaturgeschichte seit Aischylos.

Die Aktivisten stürmten auf die Bühne, schwenkten eine "Identitärenflagge", verspritzten Kunstblut und warfen Flugblätter, auf denen "Multikulti tötet" stand, so die Berichte. Nach einem Handgemenge seien die Störenfriede vertrieben worden, die Aufführung wurde zu Ende gespielt.

Das hat eine Logik und eine Tradition. Die "Identitäre Bewegung", die ihre Aktion als "ästhetische Intervention" versteht, gilt als nationalistisch, rassistisch, demokratie- und islamfeindlich. Und: Rechte Aggressionen gegen linkes Theater gibt es schon lange. Ödön von Horváths "Italienische Nacht" verhandelt die Konfrontation rechter und linker Gruppierungen in einem Dorf, und ging bei der Uraufführung 1931 in Berlin zwar ohne Konflikte über die Bühne, nur war der Autor den Nazis fortan verhasst. Diese hatten im Jahr davor die Uraufführung von Kurt Weills "Mahagonny" durch Krawalle gestört. Und 1968, nach dem Krieg, ging die Hamburger Uraufführung des Che Guevara gewidmeten Oratoriums "Das Floß der Medusa" des Kommunisten Hans Werner Henze im Getümmel aus Mitwirkenden, Aktivisten und Polizei unter. Auslöser war eine rote Fahne.

Politische Kunst, deren Berechtigung von Konservativen wie L'Art-pour-l'art-Adepten seit jeher in Frage gestellt wird, hat immer starke Reaktionen ausgelöst. Diese laufen im Emotionsverstärker Theater naturgemäß sehr viel heftiger ab als in anderen Künsten. Politische Künstler rechnen deshalb immer mit Widerstand gegen ihre Positionen. Alles andere wäre naiv. Einerseits.

Andererseits aber fordern die Künstler den Mut eines gleichgesinnten Publikums, das für die Kunst- und Meinungsfreiheit notfalls auf die Barrikaden geht. In Wien taten sie das und setzten durch, dass das Stück zu Ende gespielt wurde. Anders als im Fall Böhmermann musste zur Verteidigung der Kunst kein Gericht bemüht werden.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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