Kommentar:15 Jahre schwanger

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(Foto: sz)

Vor einem Jahr eröffnete die Elbphilharmonie in Hamburg. Und in München? Sollte endlich die Juryentscheidung für einen neuen Konzertsaal fallen. Der Ort erzwingt Fantasie.

Von Reinhard Brembeck

Geht doch. Fünfzehn Jahre lang hat Münchens Klassikwelt einen neuen Konzertsaal ausgebrütet, und jetzt endlich gibt es eine Juryentscheidung, die bei Redaktionsschluss am Freitag allerdings noch nicht gefallen war. Den Klassikfreunden in der Stadt geht es ein wenig so wie werdenden Eltern vor dem ersten Ultraschall: Was wird da auf sie zukommen? Die Elternvorfreude und Aufregung ist Außenstehenden genauso schwer zu vermitteln wie die Aufregung um dieses Neubauprojekt. München hat ja, je nachdem, wie man zählt, mindestens fünf Säle, die regelmäßig (auch) für Klassikkonzerte genutzt werden. Der neue aber soll vor allem dem Bayerischen Rundfunk und seinen bisher unbehausten Sinfonikern als Heimstatt dienen. Dass er jetzt gebaut wird, ist der größte Triumph des BR-Chefdirigent Mariss Jansons, der damit seinem notorisch sparwütigen Arbeitgeber einen nicht ganz günstig zu mietenden Saal verschaffte, an dessen Baukosten der sich jedoch nicht beteiligen muss.

Dieser Saal wird aber auch das Stein gewordene Vermächtnis des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer werden, der Jansons erst den Saal versprach und den Bau dann auch durchsetzte. Auf dass das hochkulturell bestens versorgte München auch in Zukunft bayerischer Musikprimus bleiben möge.

Der einzige Wermutstropfen dieses Lederhosen & Laptop-Coups besteht allerdings darin, dass die Münchner ziemlich sicher nicht mit den hierzulande nicht übermäßig beliebten Hamburgern konkurrieren werden können. Deren vor einem Jahr eröffnete Elbphilharmonie ist nämlich architektonisch der mit großem Abstand spektakulärste Konzertsaalbau des ganzen Universums: mitten im Hafen gelegen, kühn auf einem riesigen Getreidespeicher nach dem Himmel ausgreifend. Schon aus der Ferne grüßt die Elbphilharmonie die Touristen als Wahrzeichen der Stadt. München aber hat keinen Hafen und das gewählte Terrain ist irgendwo in der Unwirtlichkeit des Münchner Osten versteckt. Aber vielleicht löst gerade die Chancenlosigkeit des Ortes bei den Architekten ungeahnte Fantasieschübe aus. Damit Seehofer als ein genauso großer Bauherr in die bayerische Geschichte eingehe wie sein in diesem Punkt bisher unübertroffener Vorgänger, der König Ludwig.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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