Klavierabend:Passagenstürme

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Der Pianist Juan Pérez Floristán spielt mit gezügelter Körperspannung in München Mozart, Schubert, Liszt und gibt Stücke von Tschaikowsky und Alberto Ginastera zu.

Von Wolfgang Schreiber

Von Gottfried Benn gibt es eine Forderung, eine Art Ermahnung, die ungefähr so lautet: Veranstaltungen in der Kultur sollen nicht länger dauern als eine Stunde. Und hier wird's Ereignis - mit "Klassik vor Acht" im Münchner Herkulessaal. Das Konzert ohne Pause kommt um 19. 30 Uhr, nach exakt einer Stunde, ans Ende. Ist das die Musikzeit und Konzertform der Zukunft - gut für die ältere, sich schonende Generation? Yuja Wang, Lang Lang und Daniil Trifonov spielten in ihrer Frühzeit auch schon "vor Acht".

Der 26-jährige Spanier Juan Pérez Floristán hat sich der Prozedur jetzt schon zum dritten Mal gestellt, gleichmütig, für sein Alter bemerkenswert gelassen und gemessenen Schritts betritt er das Podium. Um Mozart, Schubert und Liszt zu spielen, als Zugaben Peter Tschaikowsky und Alberto Ginastera.

Eindrucksvoll, denkt man, wie viel musikalische Zeit in eine einzige Stunde hineinpasst, welche Vielfalt der Formen, der Epochenstile und der künstlerischen Ausdrucksweisen in zeitlicher Verdichtung möglich ist. Ruhig an der Musik arbeitend, nach außen in gezügelter Körperspannung, sitzt Floristán fast brav am Flügel, selbst wenn die furiosesten Passagenstürme, wie am Ende im Mephisto-Walzer von Liszt, das Äußerste an innerer Bewegung und Konzentration erforderlich machen. Mozarts B-Dur-Sonate KV 333 mit ihrer virtuos konzertanten, dabei feingliedrigen Prachtentfaltung gelingt ihm ebenso wie Schuberts zyklisch gebaute Wanderer-Fantasie, deren geballten Akkordattacken und dem tiefgründigen Adagio der Pianist nichts schuldig bleibt.

Die fast abgeklärte Sicherheit, ja kühle Dramaturgie, mit der Floristán die pianistische Kontrolle mit der musikalischen Emotion kurzschließen kann, setzt in Erstaunen. Und dass er sich die beiden sprödesten unter den glühenden Klangvisionen aus Liszts "Années de Pèlerinage" ausgesucht hat, "Sposalizio" und "Il pensieroso", sagt viel aus über des Spaniers Gedankenstrenge. Und Zugaben spendet er gern: Tschaikowskys herber russischer "Oktober" und die monströs rasende Danza Argentina Nr. 3 von Alberto Ginastera reißen mit.

© SZ vom 18.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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