Klassik:Schwerelos im Glück der Musik

Lesezeit: 3 min

Konzertmeister rund um die Welt: Sreten Krstic und Maestro Lorin Maazel bei einer Anspielprobe für ein Konzert der Münchner Philharmoniker in Seoul während der Asien-Tournee des Orchesters 2013. (Foto: Münchner Philharmoniker)

Sreten Krstic, der langjährige Konzertmeister der Münchner Philharmoniker, verabschiedet sich als Solist und als Konzertmeister mit drei Konzerten unter Barbara Hannigan in den Ruhestand

Von Harald Eggebrecht

Gelassener, freundlicher, mätzchenfreier als Sreten Krstic geht wohl kein Konzertmeister auf die Bühne, um sich ans angestammte erste Pult zu setzen, und das seit fast 40 Jahren. Die einzige Veränderung dabei: die einst schwarze Haartolle ist peu à peu ergraut. Es gibt andere Traditionen: das Orchester sitzt schon, nur der ominöse Stuhl vorne links bei den ersten Geigen bleibt leer. Dann geht die Saaltür auf und herein kommt unter Extrabeifall der Herr Konzertmeister, verbeugt sich, nimmt Platz. Solches hierarchisches Denken ist Krstic völlig fremd. Dass er ein exzellenter Violinist ist und seine Geigengruppe unaufwendig führen kann, hat er in zahllosen Konzerten bewiesen.

Auch im Gespräch mit ihm herrscht eine stets unangestrengte heitere Aufgeschlossenheit, etwa, wenn man ihn nach Erlebnissen mit Dirigenten und Solisten fragt. Manchmal muss er gar nichts in Worte fassen, es genügt, wenn er bei etlichen Namen einfach herzlich auflacht. Da lässt sich rasch ahnen, was er dazu meint. Doch Böses, Abwertendes kommt nie über seine Lippen. Krstic weiß dafür zuviel über die immer schwierige musikalische Arbeit, die jedes Mal neu und konzentriert geleistet werden muss, was er entschieden betont.

Der gebürtige Belgrader, Jahrgang 1953, war kein kleiner Wunderkindgeiger, sondern folgte den Wünschen seiner Mutter, die ihre Freude an Stehgeigern hatte. Also begann der kleine Sreten mit sieben Jahren zu geigen. Offensichtlich fiel es ihm nicht schwer, er habe es immer gerne gemacht, nie sich gezwungen gefühlt. Gute Lehrer wie die Belgrader Professoren Toškov (Schüler von Váša Príhoda) und Pavlovic (Schüler von Max Rostal) taten ein übriges, dass aus dem begabten Studenten ein veritabler Solist, Kammermusiker und eben Konzertmeister wurde. Krstic besitzt einen ausnehmend schönen, schlanken, variablen Ton und verfügt über natürliche Eleganz und Elastizität beim Spiel. Es sieht nie nach Arbeit aus, aber seine unbedingte Konzentration ist unmittelbar zu spüren, ganz gleich, ob er die großen Soli der Orchesterliteratur - etwa im "Heldenleben" seines Lieblingskomponisten Richard Strauss - souverän bietet oder im symphonischen Gefecht agiert.

1980 wurde Sreten Krstic Münchner Philharmoniker, zwei Jahre später gewann er die Konzertmeisterstelle. Die prägende Erfahrung war fraglos die lange Zusammenarbeit mit Sergiu Celibidache bis zu dessen Tod 1996. Krstic hat die spannungsreiche Anfangszeit vor der Eröffnung der Gasteig-Philharmonie, als man noch zwischen Kongresssaal und Herkulessaal pendeln musste, ebenso mitgestaltet wie das Wachsen zum heutigen "Weltorchester", zu dem "Celi" die Philharmoniker unwiderstehlich machte. Natürlich ist und war Krstic gegenüber allen späteren Chefs und Gastdirigenten loyal und brachte seine Riesenerfahrung als Geiger und Konzertmeister ein.

Das Musizieren mit Celibidache muss dennoch unvergleichlich gewesen sein. In der SZ-Weihnachtsausgabe 2018 hat Krstic diesen besonderen Geist zwischen "Celi" und seinen Musikern wunderbar beschrieben: "Wir Musiker und seine Hände wurden zu einer perfekten Symbiose, die Musik strömte förmlich aus seinen Händen - so zumindest fühlte es sich für mich an. Was genau in dem Moment so Spezielles passierte, lässt sich nicht beschreiben und es ist mir davor und danach auch nicht mehr passiert. Alles war Musik pur, es war mir fast schon unheimlich. Ich fühlte mich, als würde ich gerade in den Himmel schweben. Einmal kam so ein Moment in der Stiftsbasilika St. Florian vor, da war es natürlich besonders passend, wie der Himmel auf Erden. Die Wahrheit der Musik, das war absolutes Glück für mich, denn die Musik wurde in diesem Moment so unglaublich perfekt, und gleichzeitig fühlte es sich so an, als wäre sie das Einfachste der Welt. Dieser Moment des absoluten Glücks, der Schwerelosigkeit, hat gefühlt ewig gedauert." Dass er jenseits der Klassik gern Rock und Pop hört, begeistert Ski fährt und auch sonst dem Sport zugetan ist, zeigt, wie sehr Sreten Krstic im Hier und Jetzt lebt. Dass er weiter geigen, unterrichten und Kammermusik machen wird, versteht sich von selbst. Die Münchner Musikfreunde haben heute und an den zwei Folgetagen Gelegenheit, Sreten Krstic zu feiern, wenn er bei seinen Philharmonikern unter der faszinierenden Barbara Hannigan als Konzertmeister und als Solist seinen Abschied gibt.

Münchner Philharmoniker ; 4. Jugendkonzert, Fr., 3. Mai, 18.30 Uhr; 7. Abonnementkonzert D, Sa., 4. Mai, 19 Uhr; 6. Abonnementkonzert M, So., 5. Mai, 11 Uhr, Philharmonie im Gasteig

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: