Kinofilm:Digitaler Präsidentenmord

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Oktober 2007: Vor einem Hotel in Chicago wird George W. Bush von der Kugel eines Scharfschützen niedergestreckt. Ein britischer Film zeigt die Ermordung des amerikanischen Präsidenten. Darf man das?

Andrian Kreye

Darf ein Werk der Fiktion zeigen, wie ein amtierender Präsident ermordet wird? Diese Frage wirft der britische Fernsehfilm "Death Of A President" auf, der am 10. September auf dem Filmfestival in Toronto gezeigt wird und im Oktober im britischen Satellitensender More4 laufen soll.

Die Anfangssequenz zeigt George W. Bush im Oktober 2007. Nach einer Ansprache vor dem Sheraton-Hotel in Chicago gerät er in eine Antikriegsdemonstration und wird von der Kugel eines Scharfschützen niedergestreckt. Im weiteren Verlauf der Zukunftsvision folgt der Film einem Team von Dokumentarfilmern, die die Hintergründe des Attentats recherchieren.

Die Nachforschungen des FBI konzentrieren sich auf einen Syrer. Das erinnert ganz bewusst an die Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Robert Kennedy, der nach einer Ansprache im Ambassador-Hotel in Los Angeles von dem Palästinenser Christian Sirhan Sirhan erschossen wurde. Weil der Film, den bisher niemand sehen konnte, wie eine Dokumentation inszeniert ist, erinnert auch das nun veröffentlichte Standbild an historische Szenen, vor allem an David Burnetts zur Ikone gewordene Bild vom Attentat auf Ronald Reagan vor dem Washington Hilton am 30. März 1981 sowie an das Foto von der Ermordung des John-F.-Kennedy-Attentäters Lee Harvey Oswald.

Um diesen Effekt zu erzielen, benutzte Regisseur Gabriel Range Archivmaterial, das er im Computer digital mit gestellten Szenen kombinierte. Nebenbei gibt "Death Of A President" vor, die Konflikte innerhalb der amerikanischen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit, die der Irak-Krieg und die amerikanische Hegemonie ausgelöst haben, zu erörtern.

Gewünschte Effekt eingetreten

Nun bekommt jeder, der den Präsidenten in Wort oder Bild bedroht, normalerweise Besuch von Agenten des amerikanischen Secret Service. Immerhin wurden schon vier amerikanische Präsidenten - Lincoln, Garfield, McKinley und Kennedy - ermordet. Die Dunkelziffer der versuchten Attentate liegt noch höher. Britische Fernsehstudios gehörten aber bisher nicht in den Zuständigkeitsbereich des Secret Service.

Und auch in dieser Sache hat er keine Anstalten gemacht, einzugreifen. Das Weiße Haus kommentierte die Werbekampagne für "Death Of A President" mit einem gelangweilten: "Wir werden das nicht mit einer Antwort würdigen." Der gewünschte Effekt ist trotzdem eingetreten. Weltweit berichtet die Presse über den geplanten Attentatsfilm.

Die amerikanischen Leitartikler und Politiker hielten sich bisher mit Kommentaren zurück. Der erzkonservative Radiomoderator Rush Limbaugh widmete dem Film erwartungsgemäß eine Schimpftirade. Ein paar konservative Politiker ließen sich von der New Yorker Boulevardzeitung Daily News zu Stellungnahmen nötigen. Ansonsten toben vor allem die Internet-Blogs. Thomas Lifson vom Politblog "American Thinker" nannte den Film "politische Pornografie".

Schließlich geht es auch im traditionellen Porno um nichts anderes als die Kombination aus Tabu und Wunschvorstellung. Genau deswegen wird der Film Amerika wohl auch nicht weiter beunruhigen. Bedenklicher ist allerdings die Tatsache, dass antiamerikanische Gewaltphantasien immer öfter zum Verkaufsargument für Popkultur werden.

© SZ vom 4.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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