Kino und TV:Freche Blicke wagen

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Provokante Stoffe und Höhepunkte: Die neuen Kino- und TV-Produktionen aus Deutschland.

Von Bernhard Blöchl

Das deutsche Kino traut sich wieder was. Zuletzt forderte Sebastian Schipper mit seinem Berliner Nacht-Thriller Victoria das Publikum heraus, indem er komplett auf den Schnitt verzichtete. Vor wenigen Tagen gab es dafür sechs Lolas beim Deutschen Filmpreis. Wenn der Regisseur und Drehbuchautor aus Hannover, 47, nun in der Förderpreis-Jury zur Münchner Filmfestreihe "Neues Deutsches Kino" sitzt, darf er Werke von Kollegen beurteilen, die - mehr oder weniger - auch etwas wagen.

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(Foto: Filmfest München)

Tobias Moretti spielt Luis Trenker, der sich im TV-Film Der schmale Grat auf den Liebestanz mit Leni Riefenstahl (Brigitte Hobmeier) einlässt.

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(Foto: Filmfest München)

Die Neonazi-Szene im ostdeutschen Prittwitz beleuchtet Dietrich Brüggemann in seiner schrägen Farce Heil.

Zum Beispiel Dietrich Brüggemann. Der 39 Jahre alte Regisseur ( Kreuzweg) lässt in seiner Farce Heil einen afrodeutschen Autor rechte Parolen plappern, nachdem dieser von Neonazis einen Schlag auf den Kopf bekommen hat. Ein Schlag ins Gesicht der Integration, satirisch, pulsierend, komisch. Die Genregrenzen sprengt auch Der Nachtmahr von Achim Bornhak, der sich AKIZ nennt. Sein zärtlicher Coming-of-Age-Horrorfilm mit Carolyn Genzkow nähert sich dem Monster Pubertät eindringlich und schön zugleich.

Identitätssuche lässt sich als übergreifendes Thema für diese Reihe herausarbeiten, die 18 neue Filme aus Deutschland präsentiert, darunter auch populäre Stoffe wie die Literaturverfilmung Becks letzter Sommer von Frieder Wittich oder Markus Sehrs Die Kleinen und die Bösen mit Christoph Maria Herbst. Seiner Identität beraubt fühlt sich der Protagonist aus Özgür Yildirims Fantasy-Thriller Boy 7: Ein junger Mann (David Kross) erwacht nachts in einem U-Bahn-Tunnel, ohne Erinnerungen an seinen Namen und seine Vorgeschichte. Um die Selbsterkennung der sexuellen Orientierung geht es in Uisenma Borchus HFF-Abschlussfilm Schau mich nicht so an; vom Selbstbewusstsein in Stresssituationen handelt Philip Kochs Rollenspiel-Thriller Outside The Box. Tief in die Psychologie tauchen die Dokumentarfilme Mollath - Und plötzlich bist du verrückt (siehe Bericht links) sowie Overgames ein. Lutz Dammbecks 160 Minuten langer Film erforscht den Zusammenhang von TV-Shows und Therapieformen in der Psychiatrie.

In der Reihe "Neues Deutsches Fernsehen" findet sich auch heuer wieder wahrlich Kinotaugliches. Mit Spannung erwartet wird Tobias Moretti in der "Rolle seines Lebens", wie es die Filmfest-Mitarbeiterin Ulrike Frick formuliert. Der Österreicher mimt - unter der Regie seines Landsmannes Wolfgang Murnberger - die Südtiroler Bergsteigerlegende Luis Trenker ( Der schmale Grat der Wahrheit). Biografisch inspiriert ist auch Der Fall Barschel von Kilian Riedhof, ein Thriller-Zweiteiler mit Alexander Fehling über den Tod des ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein. Bekannte Namen zieren die Reihe, die 18 Werke bündelt: Nadeshda Brennicke ist in der reifen Single-Komödie Blütenträume zu erleben, Jürgen Vogel in Der Äthiopier, Maximilian Brückner in Schwarzach 23 und die Hand des Todes. Hans Steinbichler zeigt sein Drama Das Dorf des Schweigens, Lars Kraume ( Familienfest) und Daniel M. Harrich ( Meister des Todes, siehe Titelseite) sind ebenfalls mit neuen Werken vertreten. Mit Werken, die etwas wagen (alle Termine unter www.filmfest-muenchen.de, Telefon 48 09 89 73 00).

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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