Kino: "So glücklich war ich noch nie":Im falschen Leben

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Irgendwas muss doch sexy sein am modernen Kapitalismus: Hochstapler Frank verliebt sich in die Hure Tanja.

Martina Knoben

"Der moderne Kapitalismus, irgendwas muss ja sexy sein daran", hatte Christian Petzold zu seinem Film "Yella" (2007) geschrieben und der Welt des Phantomgeldes, von der er darin erzählte, den Körper und das Gesicht von Devid Striesow gegeben.

In der Edelboutique: Hochstapler Frank (Devid Striesow) flirtet mit der Hure Tanja (Nadja Uhl). (Foto: Foto: ap)

Der Trickbetrüger, den Striesow nun in Alexander Adolphs "So glücklich war ich noch nie" verkörpert, ist eine faszinierende Fortführung dieser Rolle: Typ blonder Junge, weiches, rundliches, gefälliges Gesicht, apfelgrüner Pullover über der Schulter, so sieht dieser Frank Knöpfel aus.

Kein anderer deutscher Schauspieler hätte die Gesichtslosigkeit des Hochstaplers, der sich jedem als das präsentiert, was er sehen will, besser verkörpern können als Striesow. Und Adolphs Deutung dieser Figur, das kindliche Gemüt mit seinem Welpencharme und einer bestürzenden Amoralität, wirft auch ein neues Licht auf den Finanzgewerbler, den Striesow in "Yella" spielte, der seinen Lebensunterhalt ebenfalls mit dem Vertrauen der Menschen auf virtuelles Geld verdient.

Im Gegensatz zu Petzolds Private-Equity-Manager haftet dem Trickbetrüger in Adophs Debütspielfilm etwas Jämmerliches und Kleinbürgerliches an: Wer Frank Knöpfel heißt, trägt das Kleine-Leute-Schicksal schon im Namen.

Ein Flirt mit der Kundin einer Edelboutique bringt Knöpfel denn auch gleich ins Gefängnis, weil in den Minuten des Plauderns sein Schwindel mit einer falschen Kreditkarte auffliegt. Endlich aus dem Knast, lauert ihm eines seiner Opfer auf und schlägt ihn zusammen. Knöpfel ist in einem erbärmlichen Zustand, als ihn sein Bruder Peter aufnimmt - Jörg Schüttauf spielt diesen "kleinen Knöpfel" so spießig, so regressiv glücklich im überschaubaren Quadrat seiner Möglichkeiten, dass die erfundenen Identitäten des Hochstaplers als die vielleicht bessere Alternative erscheinen.

Aber was heißt schon "Alternative", wenn einer schwindeln muss, wenn er mit dem Instinkt eines Kindes und der Zwanghaftigkeit eines Süchtigen errät, was der andere sich wünscht oder erwartet, und diese Illusion kreiert, weil nur so Anerkennung und Selbstwert zu gewinnen sind. Ein Geschäftsmann aus Oslo, ein braungebrannter Immobilienmakler oder ein Mann mit Verbindungen zur Russenmafia - Knöpfel kann alles sein. "Wir sind doch eigentlich frei", wird er zu Tanja (Nadja Uhl) sagen, der Kundin, die er in der Edelboutique angesprochen hatte.

Was vom Knöpfel übrig bleibt

Die beiden haben einander sofort erkannt, als Menschen, die einem verwandten Gewerbe nachgehen. Tanja spielt ihren Freiern vor, was diese als Objekte ihrer Lust gerne sehen wollen. Sie wirkt gleichermaßen abgeklärt und naiv, wie die süße Nike aus "Sommer vorm Balkon", Uhls Ganzrolle. Die Hure und der Hochstapler ergeben zusammen ein hübsches Kolportage-Paar, dem Adolph Szenen der Annäherungen geschrieben hat, die ans Herz gehen, weil von Knöpfel, wenn er seine Lügen ablegt, kaum noch etwas übrig bleibt.

Nein, dieser Knöpfel ist kein Gentleman-Verbrecher, darin unterscheidet er sich von vielen seiner literarischen und filmischen Vorgänger. Adolph hatte sich schon vor drei Jahren in dem sehenswerten Dokumentarfilm "Die Hochstapler" mit den Biographien von Trickbetrügern beschäftigt. Davon profitiert er nun bei seinem Spielfilm.

Trotz seiner Beteuerung, den Fiction-Film vor der Dokumentation geplant zu haben, wirkt "So glücklich war ich noch nie" allerdings auch wie die Zweitverwertung eines gerade sehr aktuellen Stoffes - immerhin lassen sich im Hochstapler und seinen dummen und gierigen Opfern satirische Verkörperungen der Finanzblasenmentalität entdecken.

Leider sind die Menschen, die Knöpfel übers Ohr haut, ziemlich klischeehaft gezeichnet. Und formal zielt "So glücklich war ich noch nie" kaum je über den Anspruch eines Kleinen Fernsehspiels hinaus. Adolphs und Striesows Analyse der hochstaplerischen Persönlichkeit aber ist unbedingt zwingend.

Und wenn Knöpfel am Ende auf dem Balkon einer Luxuswohnung steht, von Urlaub mit Tanja träumt und ausruft: "So glücklich war ich noch nie", dann ist das ein Gefühl wie Sommer '08, der Moment vollkommener Losgelöstheit vor der Krise.

SO GLÜCKLICH WAR ICH NOCH NIE - D 2009 - Regie, Buch: Alexander Adolph. Kamera: Jutta Pohlmann. Schnitt: Silke Botsch. Musik: Dieter Schleip. Mit: Devid Striesow, Nadja Uhl, Jörg Schüttauf, Floriane Daniel, Elisabeth Trissenaar. Kinowelt, 94 Minuten.

© SZ vom 14.4.2009/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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