Kino: Julia Roberts in "Duplicity":Die Verführung der Deppen

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In der Liebe ist jeder ein Geheimagent: Der smarte Thriller "Duplicity" bringt Julia Roberts und Clive Owen wieder zusammen - und macht Jagd auf Firmenbosse.

Tobias Kniebe

Claire ist die Frau, die auf einer Cocktailparty alleine und so gelangweilt herumsteht, dass es die gesamte Umgebung herausfordert. Ray ist der Mann, der sein Aussehen gern die ganze Arbeit machen lässt - und damit schon viel zu oft durchgekommen ist. Seine Anmachsprüche sind platt, ihre Antworten spitz. Keine Frage, an wen diese erste Runde geht. Es widerspräche jeder Lebenserfahrung, wenn diese beiden jetzt zusammen im Bett landen würden, aber, hallo, Moment, was ist das denn?

Spielen sie dasselbe Spiel? Julia Roberts und Clive Owen in "Duplicity". (Foto: Foto: ddp)

Musste das sein, fragt man sich wenig später, als sich Julia Roberts nackt aus den Laken von Clive Owen schält. Und natürlich musste es sein - das ist ja der Witz an diesem Film. Der Autor und Regisseur Tony Gilroy hat sich vorgenommen, alle Erwartungen der Zuschauer zu unterlaufen, immer wieder und in immer neuen Richtungen. Er erzählt von zwei Menschen, deren höchste Kunst die Täuschung ist, er spornt seine Hauptdarsteller an, ihr beträchtliches Können an Witz, Timing und Überzeugungskraft in die Waagschale zu werfen. Zugleich aber legt er größten Wert auf die Feststellung, dass es einen gibt, der dieses Spiel noch besser beherrscht als seine Protagonisten - nämlich er selbst.

Trotzdem will Gilroy, der unter anderem bei der "Bourne"-Trilogie einer der smartesten Autoren war, bevor er mit "Michael Clayton" einer der smartesten Autorenfilmer wurde, kein Despot sein. Nicht um die Herrschaft der Willkür soll es hier gehen, sondern um Plausibilität und Verführung. Ein Filmemacher verführt, indem er durchschaubar bleibt. Also stellt Gilroy klar, dass der Mann hier natürlich der Depp war: Ein britischer Agent mit einem geheimen Code im Gepäck, den die CIA unbedingt haben musste, weshalb eine kluge Frau auf ihn angesetzt wurde - voller Körpereinsatz inklusive. Das Einzige, was nicht ganz geplant war: dass es in dieser Nacht dann trotzdem funken würde, bevor die K.-o.-Tropfen zum Einsatz kamen . . .

Die wahren Kriege der Gegenwart

Aber ach, diese Welt der Mata-Hari-Methoden ist natürlich auch längst passé und nurmehr eine nostalgische Rückblende. Wer heutzutage spioniert, tut dies im Dienst von großen Konzernen, da sind die Geheimnisse noch Milliarden wert, da toben die wahren Kriege der Gegenwart, da werden Informationen um jeden Preis geschützt - oder aber von der Gegenseite gestohlen. Als Claire und Ray sich wiedertreffen, arbeiten sie plötzlich im selben Team: Claire wurde bei dem Konsumgüter-Giganten Burkett & Randle eingeschleust, ausgerechnet in die Sicherheitsabteilung. Als Doppelagentin soll sie neue Produktentwicklungen ausspionieren und weiterleiten, an den zutiefst verfeindeten Konkurrenten Equokrom. Ray wird ihr Führungsmann im Dienst von Equokrom sein, er muss den Kontakt halten und die Geheimtreffen organisieren.

Dieses Wiedersehen könnte, wie das Leben so spielt, einfach ein dummer und einigermaßen erotischer Zufall sein. Weil aber dumme Zufälle in schlauen Filmen so gar nichts verloren haben, ist auch das natürlich wieder nur eine Täuschung. Dem Regisseur Gilroy gelingt das Kunststück, seine Geschichte nun zugleich vor und zurück zu erzählen: Auf der einen Ebene treibt Claire ihr Spiel voran, das größte Geheimnis von Burkett & Randle in die Finger zu kriegen - eine Wunderformel, die Milliardenumsätze verspricht und den Markt für Pflegeprodukte für immer verändern könnte. Ray hilft ihr dabei.

Schon das ist ein hochgefährliches Spiel, weil die jeweiligen Firmenbosse, wunderbar verkörpert von Tom Wilkinson und Paul Giamatti, reine Maniacs sind, die alles tun würden, um den verhassten Konkurrenten zu demütigen, bloßzustellen, in die Krise zu treiben oder aufzukaufen. Auf der anderen Seite enthüllt Gilroy, Rückblende für Rückblende, dass Claire und Ray gerade nicht zufällig agieren. Schon Jahre zuvor haben sie sich wiedergetroffen, nicht mehr kennen wollen, angebrüllt und gestritten - nur, um dann von neuem übereinander herzufallen. Aus Liebe vielleicht?

Die große Frage

Das ist die große Frage, die seither auf eine Antwort wartet. Können zwei Menschen, die anderen ständig falsche Gefühle vorspielen, jemals damit aufhören? Oder in den Worten des Regisseurs: Wie zeigen Skorpione ihr Herz? Vielleicht, diese Möglichkeit steht im Raum, sind sie die ehrlichsten Lover überhaupt. "Kein Mensch vertraut dem anderen wirklich", sagt Ray einmal, "aber wir geben es wenigstens zu." So entsteht der Plan, als eine Art Prüfstein der Gefühle, die Wunderformel im Erfolgsfall keineswegs dem Auftraggeber zu übergeben. Gemeinsam müsste sich, in der Schweiz vielleicht, ein weit besserer Preis erzielen lassen . . .

Der letzte Twist, der letzte Trumpf ist aber auch das noch lange nicht - was unter anderem daran liegt, dass es längst nicht mehr so lustig wie früher ist, mit der Beute davonzukommen. Einem wie Thomas Crown, dem Meisterdieb, der Ende der sechziger Jahre nicht zu fassen war, flogen damals noch alle Sympathien zu. Heute aber kommen selbst die größten Deppen - siehe Zumwinkel, siehe Mehdorn, siehe all die Finanzversager mit ihren Versagerboni - bei hellem Tageslicht mit ihrer Beute davon. Das macht also keinen Spaß mehr. Da ist die Frage, ob am Ende des ganzes Doppelspiels vielleicht die Liebe bleibt, doch wesentlich interessanter.

DUPLICITY, USA 2009 - Buch und Regie: Tony Gilroy. Kamera: Robert Elswit. Schnitt: John Gilroy. Mit Julia Roberts, Clive Owen, Tom Wilkinson, Paul Giamatti. Universal, 125 Minuten.

© SZ vom 29.4.2009/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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