Kinderlyrik:Schneckensterne

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Gedichte von bekannten Autoren, die dazu auffordern, sie laut zu lesen. Ein Feuerwerk der Fantasie und eine Einladung zu verrückten Sprachspielen.

Von Ulrike Schultheis

"Kindergedichte sind wieder modern", schreibt Uwe-Michael Gutzschhahn in seinem Nachwort. "Sie wandern wieder in Schulbücher, und manchmal folgen Grundschullehrer sogar einer alten Idee und lesen zu Beginn jeder Deutschstunde ein Gedicht vor - egal welchen Stoff sie nachher im Unterricht behandeln. Es hat sich gezeigt, dass Kinder das Spiel mit der Sprache, die Klangbilder der Poesie lieben und spätestens nach dem fünften Gedicht darauf beharren, jede weitere Unterrichtsstunde mit einem neuen Text zu beginnen. Nach dem gleichen Muster kann man auch zu Hause mit Kindern die Welt der Poesie entdecken." Unermüdlich hat Uwe-Michael Gutzschhahn für die Kinderlyrik geworben, sie als Herausgeber verschiedener Bücher gefördert und selbst wunderbare Gedichte geschrieben. Zweimal ist er für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert worden, im vorigen Jahr hat er ihn für sein Lebenswerk - allerdings als Übersetzer - bekommen.

In seinem neuesten Buch versammelt er nun - bisher nur in der Zeitschrift Das Gedicht veröffentlichte - Gedichte der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen und Lyriker wie Franz Hohler, Paul Maar, Arne Rautenberg, Michael Augustin oder Jutta Richter und auch Gedichte aus dem Nachlass von Jürgen Spohn und Günter Maiwald. Da wimmelt es von Kaugummi kauenden Kamelen, Flimmerfischen, Schneckensternen - ein Feuerwerk der Fantasie und eine Einladung zu verrückten Sprachspielen. Daneben finden sich auch stille, zarte Gedichte zum Innehalten, zum Fühlen und Nachspüren wie das Gedicht "Der Herbst kommt" von Horst Samson. Oder ein "Genauso-ist-es-Gedicht" aus dem Kinderalltag von Michael Augustin, "Träume sind Schäume": Ich hab von einem Geist geträumt/der hat mein Zimmer aufgeräumt/ Doch doof war's/ danach aufzuwachen/ denn jetzt muss ich/ es selber machen/ (sagt meine Mama)." Zum Gelingen des Buches tragen auch die kreativ-witzigen, explosiven Illustrationen von Sabine Kranz bei.

Diese Gedichtsammlung ist verführerisch, macht gute Laune und zeigt zugleich, zu welchen Purzelbäumen, Traumgebilden und Klangwundern unsere Sprache fähig ist. Aber Kinderlyrik wirkt immer nur dann, wenn sie laut gelesen oder vorgelesen wird. Erst da wird plötzlich klar, dass nicht die Wörter oder der Reim, sondern erst Klang und Rhythmus den Text zu einem Gedicht machen. Nur Mut, wer erst einmal angefangen hat, Gedichte vorzulesen, kann süchtig werden! Für die ganze Familie.

Uwe-Michael Gutzschhahn (Hg.) : Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht - Hundert neue Kindergedichte. Mit Illustrationen von Sabine Kranz. dtv junior, München 2018. 175 Seiten, 16,95 Euro.

© SZ vom 16.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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