Justiz:Gesetz ohne Wirkung

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Vor drei Jahren trat das "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" in Kraft. Gebracht hat es nichts, denn es bietet dubiosen Anwälten Schlupflöcher: Sie können nach wie vor ungehindert Tausende mit überhöhten Anwaltskosten abmahnen.

Von Johannes Boie

Das "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" sollte ein großer Wurf werden. Im Oktober 2013 trat es in Kraft, erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, das Gebaren professioneller Abmahner einzudämmen. Die Kosten, die auf abgemahnte Menschen zukommen, sollten gedeckelt werden. Drei Jahre nachdem das Gesetz das Problem beheben sollte, stellt der Bundesverband der Verbraucherzentralen nach einer umfassenden Untersuchung fest: Es hat sich nahezu nichts geändert. Noch immer werden auch geringe Urheberrechtsverstöße regelmäßig viel zu teuer geahndet.

Abmahnungen sind eigentlich dazu gedacht, Streitigkeiten zu lösen, ohne dass ein Richter notwendig ist. Insbesondere im digitalen Zeitalter haben aber viele Anwälte dieses Rechtsmittel missbraucht, indem sie Urheberrechtsverletzungen mit viel zu hohen Streitwerten und Rechtsanwaltsgebühren an Tausende Menschen verschicken. Berühmt geworden sind Fälle, in denen sich Familien mit horrenden Forderungen konfrontiert sahen, weil ein Teenager ein Lied ins Netz gestellt hatte. Entsprechende Briefe lassen sich seriell erstellen. So entstand für dubiose Anwälte ein einträgliches Geschäftsmodell mit geringem Aufwand.

Wie wirkungslos das Gesetz ist, zeigt sich darin, dass die Forderungen der Abmahnanwälte im Zeitraum von 2012 bis 2016 sogar um 15 Prozent gestiegen sind, von 757 Euro auf 872 Euro. Grund für die mangelnde Effizienz sind Gesetzeslücken. Da gibt es zum Beispiel eine vom Gesetzgeber vorgesehene Regelung, mit welcher der Streitwert in bestimmten Fällen doch erhöht werden darf - die nutzen Anwälte in 35 Prozent aller untersuchten Fälle. Außerdem beschränkt sich die gesetzliche Streitwertdeckelung nur auf die Anwaltskosten, Schadenersatzansprüche werden durch das Gesetz nicht begrenzt. Auch das nutzen Anwälte aus. Die Verbraucherschützer, die 2563 Fälle untersuchten, fordern eine Überarbeitung des Gesetzes.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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