Junge polnische Literatur:Wasserpolnisch, Woscht und viel Piment

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Szczepan Twardoch erzählt in seinem überraschenden Jahrhundertroman "Drach" von vier Generationen einer Familie in Schlesien.

Von Helmut Böttiger

Dieser Erzähler weiß alles. Sobald er eine Figur auftauchen lässt, weiß er nicht nur, wo sie herkommt, was sie verdrängt hat und was sie anderen verschweigen möchte, sondern er weiß auch um ihre Zukunft - vor allem, wann sie stirbt. Er hat immer alles gleichzeitig im Blick. Schon auf den ersten Seiten reibt man sich deshalb verwundert die Augen. Und man ahnt, dass Szczepan Twardochs Buch, das im polnischen Original 2014 erschienen ist, trotz alledem nichts mit einem allwissenden Erzähler zu tun hat. Der Leser wird nicht behutsam an die Hand genommen und er wird auf nichts vorbereitet. Dieser Autor spielt auf einer teuflischen Klaviatur. Er erzählt in einer souveränen Manier, aus einer scheinbar objektiven, unanfechtbaren Distanz - und dennoch schwinden alle Sicherheiten, alles verschwimmt. Dieser Roman scheint zunächst von gestern zu sein, ist aber dann einer von morgen.

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