Jugendliteraturpreis:Ausgezeichnet

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Der Kinder- und Jugendliteraturpreis wurde in diesem Jahr digital aus dem GRIPS Theater in Berlin übertragen.

Von Roswitha Budeus-Budde

"Life ist funny". Der Illustrator Jon Klassen blickte müde und irritiert von seinem Home-Office in Kanada aus ins GRIPS-Theater in Berlin. "Letztes Jahr waren wir da, da bekamen wir nichts, und heute bekommen wir was, und sind nicht da." Er wurde für seine Bilderbücher "Dreieck", "Quadrat", "Kreis" - ein hoch artifizielles, spannendes Spiel mit klassischen Formen - mit dem Jugendliteraturpreis, zusammen mit dem Autor Marc Barnett, ausgezeichnet. Natürlich fehlten die beiden Künstler, denn die Verleihung des Jugendliteraturpreises, die seit vielen Jahren zu den größten Veranstaltungen der Frankfurter Buchmesse zählt, fand ohne Publikum statt. Und war als Livestream des Arbeitskreises für Jugendliteratur im GRIPS-Theater digital zu verfolgen. Dort hatte Franziska Giffey als verantwortliche Ministerin die Aufgabe, die Namen der Preisträger zu verkünden. Der Juryvorsitzende Jan Standke begründete die Entscheidungen, und Vivian Percovic sollte die Begeisterung der Preisträger, die zugeschaltet wurden, über alle digitalen Entfernungen lebendig werden lassen. Eine schwierige Aufgabe, sogar für die versierte 3sat-Moderatorin, die hier ohne die gewohnte Kulisse, getragen von den Emotionen der tausend Zuschauer und ohne die lebendigen Gespräche auf dem weißen Sofa auskommen musste.

Dass wahre Begeisterung auch durch ein digitales Medium nicht ausgebremst werden kann, demonstrierte Dita Zipfel, die zusammen mit ihrem Mann und dem kleinen Sohn einen Freudentanz aufführte, ganz im Sinne ihrer Heldin Lucci in dem preisgekrönten Jugendbuch "Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte" (Hanser Verlag). Es hätte eines der zahlreichen Problembücher über schwierige Familien, seltsame alte Menschen und die Sehnsucht, dem allem zu entfliehen, werden können. Doch dank der Verrücktheit der Heldin und der Illustrationen von Ran Flygenring wurde daraus ein Lehrstück in Komik als Lebensbewältigung. Der Autor Will Gmehling, ausgezeichnet mit dem Kinderbuchpreis, reagierte erstaunt und fröhlich auf die Ehrung für "Freibad" (Peter Hammer Verlag), eine Familiengeschichte, in der drei Geschwister den Sommer im Freibad verbringen. Mit Freikarten, denn das Geld zu Hause ist knapp. Doch hier wird keine Mitleidsgeschichte erzählt, sondern vom liebevollen Zusammenhalt und den speziellen Eigenschaften und Erlebnissen der drei Helden. Der Sachbuchpreis ging an ein Buch, das sich mit einer Region beschäftigt, die besonders durch die drohende Klimakatastrophe gefährdet ist. Mit "A wie Antarktis. Ansichten vom anderen Ende der Welt" (Karl Rauch Verlag) schaffte der tschechische Künstler David Böhm eine Textsammlung, die nach der Laudatio der Jury "biologisches, historisches, geografisches und politisches Faktenwissen mit einer besonderen visuellen Gestaltung verbindet".

Die Jugendjury, hier haben sechs Leseclubs die Aufgabe, sich auf ein Buch zu einigen, vergab ihren Preis an "Wer ist Edward Moon?" (Mixtvision Verlag) von Sarah Crossan. Damit entschieden sie sich für den kompromisslosesten und härtesten Titel unter den Preisen, für eine Auseinandersetzung mit der Todesstrafe. Erzählt wird in freier Lyrik von einem Siebzehnjährigen, der seinen Bruder bis zuletzt in der Todeszelle besucht.

Am Schluss wurden die Sonderpreisträger geehrt. Die Auszeichnung "Neue Talente", eingerichtet zur Förderung deutscher Nachwuchsautoren, erhielt Rieke Patwardhan für ihre Kinderbandengeschichte "Erbsensuppe" (Knesebeck Verlag). Für ihr Lebenswerk wurde Cornelia Funke ausgezeichnet. Zugeschaltet aus Kalifornien, erzählte sie davon, wie sie krumme Wege brauchte, um als Autorin Erfolg zu haben. Und überraschte mit der Nachricht, dass sie für die Förderung junger Künstler neben ihrem Haus in Kalifornien auch einen Ort in Deutschland gründen wird, "den Spiegelhof".

© SZ vom 23.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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