Jubiläumsausstellung:Jeder Krümel vom Mars

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Die Wiener Universität für angewandte Kunst feiert ihre 150 Jahre mit einer besonderen Ausstellung: Ihre Entwicklung verlief nicht linear. Also werden die Objekte alphabetisch gezeigt.

Von Laura Weissmüller

Da ist keine Pause, kein kreatives Atemholen, um auf neue Gedanken zu kommen, dabei entsteht auf der Leinwand doch gerade eine Landschaft, die es auf der Welt gar nicht gibt. Die Hand zeichnet, ohne auch nur einmal abzusetzen, und das drei Monate lang. Es sind die karstigen Hügel vom Mars, die hier fotorealistisch vor den Augen des Betrachters heranwachsen . Der Künstler ist ein knallorangefarbener Roboter auf Schienen - oder doch das deutsche Kollektiv Robotlab, das den Industrieroboter für ihre Installation "The Big Picture" programmiert hat?

In einer großen Jubiläumsausstellung zu ihrem 150-jährigen Bestehen zeigt die Universität für angewandte Kunst Wien gemeinsam mit dem Österreichische Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst (MAK), wie sehr unsere Gegenwart mit ihren Umbrüchen, sozialen Konflikten und digitalen Revolutionen nach neuen ästhetischen Ausdrucksformen verlangt und wie die Lehrenden und Studenten der Angewandten darauf reagieren. Roboter malen in der oberen Ausstellungshalle nicht nur Bilder, sie stechen auch Tattoos. Computer generieren Bilder- und Soundclouds, mit denen der Besucher in Echtzeit an jedem Punkt der Welt präsent sein kann, und in einem Iglu werden Videoclips zu Gentechnik oder Quantenphysik an die Kuppelwand geworfen.

"Die angewandte Kunst ist nicht die gut gestaltete Kaffeetasse, sondern alles, was gesellschaftlich Wirkungskraft entfalten kann", sagt Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, und erklärt damit die zur Schau gestellte Expansion der Künste. "Wir brauchen mehr Leute, die holistisch denken können." Seit vergangenen Herbst bietet Bast ein Bachelorstudium an, das sich "Cross-Disciplinary Strategies" nennt und künstlerische wie wissenschaftliche Fähigkeiten vermitteln will, ein Studium Generale für die Kunst also.

Doch dieses künstlerische Abklopfen der Gegenwart ist nichts, worauf unsere Zeit einen Anspruch hätte. Das zeigen die 400 Exponate quer durch alle Gattungen in der unteren Ausstellungshalle. Die "Angewandte" wurde 1867 als k. k. Kunstgewerbeschule von Kaiser Franz Joseph I. gegründet aus Furcht, das österreichische Kunstgewerbe könne von der Konkurrenz abgehängt werden. Seitdem erfand sie sich mit fast jedem Rektor neu. Gestartet mit fünf Fächern und 78 Studierenden, waren es im vergangenen Jahr 1700 Studenten, die aus 27 Fächern wählen konnten. Die Keramikklasse war nicht mehr darunter. Stattdessen gibt es heute Medienkunst.

Die Entwicklung der Universität verlief nicht linear. Die Schau macht das mit einem Kniff gut sichtbar: Die Objekte werden nicht chronologisch, sondern alphabetisch gezeigt. Gustav Klimts Jugendzeichnung ist da nicht weit weg vom Baum, den Joseph Beuys 1983 pflanzte. Maria Lassnigs "Selbstportrait als Blondine" (1981) hängt in Sichtweite zu Oskar Kokoschkas Rock für seine Angebetete Lilith Lang (1907/1908). Querverbindungen darf der Besucher ziehen.

Ästhetik der Veränderung. 150 Jahre Universität für angewandte Kunst Wien, MAK . Bis 15. April. Informationen unter www.mak.at

© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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