Josephine Baker:Freiheit im Bananenröckchen

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Mona Horncastle: Josephine Baker. Weltstar, Freiheitskämpferin, Ikone. Die Biografie. Mit einem Nachwort von Annette Dorgerloh. Molden Verlag, Wien 2020. 256 Seiten, 28 Euro. (Foto: N/A)

Von Missbrauch, Hunger, Schinderei hat sie sich nicht einschüchtern lassen. 1925 kam sie nach Paris und wurde in kürzester Zeit zum Star. Mona Horncastle erzählt das Leben der schwarzen Tänzerin Josephine Baker.

Von Susan Vahabzadeh

Eine Biografie ist nur die Hälfte wert, wenn sie es nicht schafft, dem Menschen, den sie beschreibt, seinen Platz in der Geschichte zuzuordnen. Mona Horncastles Biografie von Josephine Baker hat genau das hinbekommen: "Josephine Baker - Weltstar, Freiheitskämpferin, Ikone" ist ein mitreißendes Buch geworden, weil es nicht nur die Frau beschreibt, sondern eine Welt, die auf eine wie sie gewartet hat.

Als Josephine Baker in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre Paris eroberte, da waren dort schon amerikanische Schriftsteller wie Hemingway und Fitzgerald unterwegs, Salvador Dali und Picasso eroberten neue Gefilde der Malerei, Luis Buñuel entdeckte den Surrealismus für das Kino. In dieser Aufbruchstimmung hatte Josephine Baker gerade noch gefehlt.

Für die schwarze Tänzerin war Frankreich die neue Welt, als sie 1925 dort ankam. Frankreich, wo sie bis ans Ende ihres Lebens ihr Zuhause fand und wo sie sich während des Zweiten Weltkriegs Charles de Gaulle und dem Widerstand anschloss, eröffnete ihr Möglichkeiten, die vorher unvorstellbar waren: Sie erfand sich einfach neu. Zwar gab es auch dort Rassismus, aber es gab keine Rassentrennung.

Die "schwarze Venus", der erste schwarze Star überhaupt, trat dort fast nackt auf. Sie war witzig, ein Clown - und konnte doch zu einer geachteten Künstlerin werden. Zwischen der Zeit in ihrem Leben, als sie abgemagert und ärmlich in den USA nach einem Platz zum Schlafen suchte, und den Berichten über ihre Wohnung an den Champs-Élysées, wo sie mit einer ganzen Menagerie residierte, lagen nur wenige Jahre.

Josephine Baker wurde 1906 in St. Louis, Missouri geboren, und die Vorgeschichte zu ihrem Ruhm in Paris kommt in Mona Horncastles Buch vielleicht ein wenig zu kurz. Andererseits hat wohl Josephine Baker selbst über ihre Anfänge so viele Legenden gestrickt, dass es schwer ist, die Fakten aus den Märchen herauszusieben. Sie wurde jedenfalls ziemlich viel herumgereicht, bevor ihre Mutter sie schon als Achtjährige als Haushaltshilfe weggab, in Verhältnisse, die doch arg an die Sklaverei erinnerten. Missbrauch, Hunger, Schinderei - irgendwie hat sich dieses ungewöhnliche Kind davon nicht einschüchtern lassen. Die schweren Unruhen von 1917, die den Osten von St. Louis erschütterten und bei denen Weiße auf die vermeintliche schwarze Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt losgingen und mindestens vierzig Menschen ermordeten, zitierte Josephine Baker selbst als prägendes Ereignis. Aber es lähmte sie nicht; es stachelte sie an.

Mona Horncastle ist Kunsthistorikerin, und ihre kleinen Exkurse über das Verhältnis von Josephine Baker zur Kreativität ihrer Zeit gehören zu den schönsten Fundstücken in ihrem Buch: Wie sie Le Corbusier inspirierte; dass Matisse und Picasso in der "Negerkunst" gleichzeitig zu Bakers Auftauchen dieselbe Suche nach Formgebung erkannten, die sie selbst verspürten; wie Leonard Bernstein die afroamerikanische Dominanz in der amerikanischen Musik damit erklärt, dass diese Musik den Geist des ganzen Landes verkörpert, auch dann, wenn es sich dessen nicht bewusst ist oder es nicht mal versteht.

Wie genau sich der Unterschied zwischen Paris und den USA begründet, warum sie auch, als sie in die USA zurückkehrte, ein Außenseiter blieb, während man sie in Frankreich als nationales Kulturgut vereinnahmte - das muss man sich dann schon selbst zusammenreimen. Dass aber der Star, der in Paris im Bananenröckchen auftrat, bei den Afroamerikanern keineswegs ungetrübte Begeisterung auslöste, glaubt man Horncastle gerne.

Über den Umgang mit Stereotypen wurde in Paris einfach gar nicht nachgedacht. Aber man war dort nicht so prüde. Und es herrschte nicht eine verächtliche Feindseligkeit, wie man sie aus den amerikanischen Kritiken zu Bakers Auftritten herauslesen kann, die Horncastle zitiert. Ein Bild von Frankreich als Wunderland, während zu Hause in den USA aus der Rassentrennung der systemische Rassismus wurde, zeichnet Horncastle nicht. Keineswegs war Europa das Paradies für eine Frau wie Josephine Baker - Horncastle beschreibt auch, wie sie fast überall auf Europatournee angegriffen wurde.

Aber es war dann doch so, dass in Frankreich, vor und nach dem Krieg, eine gewisse Baker-Begeisterung herrschte. Dort schuf sie sich, nachdem gleich mehrere Ehen gescheitert waren, ihre "Regenbogenfamilie" mit adoptierten Kindern, die sie auf ihren Reisen aufgelesen hatte, auf einem Landsitz in der Dordogne, auf den sie sich zurückgezogen hatte, als die Nazis Teile Frankreichs besetzt hatten und sie nicht mehr in Paris auftreten konnte. Und es fand sich immer wieder jemand, der ihr half - die Fürstin von Monaco, Gracia Patricia beispielsweise, als am Ende ihres Lebens die Pleite drohte.

Josephine Bakers Biografie ist ein verrücktes Stück Zeitgeschichte. Es steckt viel Lehrreiches über Rassismus in Amerika darin, aber auch eine Weisheit über Europa in den Zwanzigerjahren: Es dauerte lang, bis die Welt wieder so frei war wie damals.

© SZ vom 13.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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