Jon Stewart und sein Team sind Meister dieser medialen Mimikry. Ähnlich wie "Earth - The Book" das Kindersachbuch, kopiert auch die "Daily Show" mit all ihren Trailern, News-Tickern, Schlagzeilen und Korrespondentenschaltungen die populären Nachrichtensendungen. Die Komiker eignen sich die Strukturen und Idiosynkrasien dieses Fernsehformats an, um unter der Oberfläche ihre eigene Botschaft zu senden.
Wenn Stewart also wie in dieser Woche in Washington aus einem Studio voller Marmorsäulen und amerikanischer Fahnen über die anstehenden amerikanischen Wahlen berichtet, verkündet die sonore Stimme im Trailer: "Eine Nation am Scheideweg. Ein Führer unter Belagerung." Und dann: "Die Attacke der Grizzlybären." Absurd? Beim Zappen hat jeder schon Schlimmeres gesehen. Könnte CNN sein, denkt man sich. Und bleibt dran.
"Das System ist kaputt"
Anders als deutsche Nachrichtenparodien macht sich die "Daily Show" nur selten über die Kleidung oder mangelnde Fremdsprachenkenntnisse von Politikern lustig. Stewart ist kein Clown, er ist eine moralische Instanz. Es geht ihm nicht um Äußerlichkeiten, sondern um die Diagnose eines dysfunktionalen Diskurses. So zeigte er in seiner Sendung zum Beispiel wie John McCain, der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat, mit markigen Worten und Bildern für sich wirbt: "Das System ist kaputt."
Stewart blickt in die Kamera. "Das erinnert mich an etwas", sagt er und spielt dann alte Wahlkampfspots vor, in denen McCain immer wieder die gleiche Botschaft verkündet, und zwar in den Jahren 2008, 2004, 2000, 1999, 1994, 1991 und 1989. Die Haare werden während dieser Zeitreise voller, die Bilder verlieren ihren HD-Glanz, aber sonst ändert sich nichts: John McCain ist seit mehr als 20 Jahren Senator und verkauft sich immer noch als Außenseiter in einem kaputten System. Stumm und fragend blickt Stewart in die Kamera.
Dieses Re-Arrangement ist verblüffend. Wenn Politiker mit roboterhafter Disziplin bloß noch talking points unters Volk und auf den Bildschirm bringen, kann sie niemand mehr als authentische Sprecher wahrnehmen. Wenn TV-Nachrichten belanglose Wahlergebnisse erst zu einem "Erdbeben", dann zu einem "Gewitter", und schließlich zu einem "Tsunami" erklären, macht sich durch diese absurde Eskalation nicht der Komiker lächerlich, der sie zeigt, sondern die Politik-Profis und Spin-Doktoren. "Das wichtigste für diese Leute ist", kommentierte Stewart in seiner Show, "dass die Geschichte keine Lücken hat. Was wirklich passiert, ist völlig egal."
Warum funktioniert Kommunikation so schlecht?
Diese investigative Comedy erlebte einen Höhepunkt schließlich im Herbst. Konservative Medien wie Fox News hatten eine Kampagne gegen ein islamisches Gemeindezentrum gestartet, das in Lower Manhattan gebaut werden sollte: Die Moschee sei ein Siegesdenkmal für den Terrorismus, der New Yorker Imam ein "Sympathisant von al Quaida", das Geld schmutzig und aus Saudi-Arabien. Stewart spielte in der Show nicht nur Bilder ein, die den Imam gemeinsam mit George W. Bush auf einer Nahost-Reise zeigten, sondern wies auch nach, dass der Finanzier und angebliche Terroristenfreund ein saudischer Prinz und zweitgrößter Aktionär von, genau, Fox News ist. Die Schlussfolgerung: "Man darf nicht mehr Fox gucken, sonst unterstützt man die Terroristen."
Die "Daily Show" ist also so etwas wie die Ruhe im Auge des "Shitstorm", wie man den Medienhype in Amerika gerne nennt. Darum gilt Stewart in den USA längst als einer der vertrauenswürdigsten Medienarbeiter. Es ist ihm gelungen, im Fernsehen ganz oben mitzumischen und doch Sätze wie diesen zu schreiben: "Im 21. Jahrhundert wurde es durch neue Technologien möglich, rund um die Uhr umfassend, neutral und journalistisch kompetent über wichtige Ereignisse aus aller Welt zu berichten. Getan hat das niemand. Aber es war möglich."
Die Frage, die Stewart am meisten quält, lautet: Warum funktioniert Kommunikation im Kommunikationszeitalter eigentlich so schlecht? Trotz RSS-Feeds, 24-Stunden-Nachrichtensendern und mobilem Internet denkt mehr als ein Viertel der Amerikaner, ihr Präsident sei Moslem. Die daraus resultierende Verzweiflung führt dazu, dass Stewart nun für diesen Samstag geplant hat, sich ein weiteres Medien-Format zu eigen zu machen - die Demonstration.
In Washington organisiert er die "Rally to Restore Sanity", einen Marsch zur Wiederherstellung der Vernunft. Mitten auf der National Mall, mit Spruchbändern und Menschenketten ähnelt seine Veranstaltung den berühmten Bürgerrechts-Demonstrationen der sechziger Jahre. Ähnlich ist auch der Anspruch: Stewart möchte für eine unterdrückte Bevölkerungsgruppe sprechen, die bisher keine Stimme hat, nämlich die "80 Prozent der Amerikaner, die nicht denken, dass der politische Gegner direkt von Hitler abstammt".