Jetzendorf:Beats auf dem Bauernhof

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Einige Fans von Voodoo Jürgens waren mit Mopeds angereist, die so heißen wie das Festival: Puch. (Foto: Niels P. Joergensen)

Beim Puch Open Air genießen Besucher und Bands wie "Element of Crime" und Voodoo Jürgens die Landpartie

Von Dirk Wagner, Jetzendorf

"Puch" steht auf der Jeansweste, die der österreichische Sänger Voodoo Jürgens auf dem Puch-Open-Air in Jetzendorf signiert. Doch das Puch auf der Weste meint nicht das Festival, sondern die österreichische Firma, die jene Mopeds herstellt, mit denen der Westenträger und seine Kumpels von Kufstein aus angereist sind. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 42 Stundenkilometern seien sie acht Stunden unterwegs gewesen, erzählt der Tiroler. Wie viele andere Besucher bleibt er über Nacht. Damit gehört er zum deutlich kleineren Besucherkreis, der nach einem rappelvollen Festival noch das abschließende Elektronik-Set der Gebrüder Teichmann genießt. Die meisten Besucher haben bis dahin nämlich das Festival zufrieden verlassen. Sei es wegen der längeren Umbaupause nach dem Konzert der Element of Crime. Oder sei es, weil sie ohnehin nur bis zum Element of Crime-Auftritt bleiben wollten.

Zumal das spannende Line-up, das der Veranstalter Peter Wacha mit Hubert und Gerlinde Lehmair auch heuer wieder für das seit 1989 beinahe jährlich auf dem Bauernhof der Lehmairs ausgetragene Festival zusammengestellt hat, durchaus auch ein forderndes war. Mit einem LeRoy, der gestützt von Tobias Laemmert alias Protein an der Gitarre und dem DAS Hobos-Schlagzeuger Tom Simonetti das Programm mit einer Mischung aus digitalen und analogen Klängen um 16 Uhr eröffnete. Schon da war die Wiese auf dem der Bühne gegenüber liegenden Hügel beinahe restlos übersät von Decken, auf denen die Besucher mit Picknickkörben ausgestattet das Festival mehr wie Sommerfrischler auf einer Landpartie genossen. Weil Kinder hier freien Eintritt haben und die weite Rasenfläche ein idealer Spielplatz ist, trifft sich dort heuer auch eine Elterninitiative eines Münchner Kindergartens. Die Eltern genießen die Konzerte und die Kinder das Abenteuer Bauernhof. Oder sie spielen Fußball unmittelbar vor der Bühne, was die Torwart-Ausstattung einer jungen Torhüterin um grüne Ohrenschützer erweitert. Ansonsten scheint der Zaun neben der Bühne, der den Backstage-Bereich abgrenzen soll, ein ideales Tor zu sein.

Jenseits des Zauns fotografiert Sebastian Kempff die anwesenden Musiker mit einer alten analogen Hasselblad-Kamera vor dem Wald-Hintergrund. Kreidler aus Düsseldorf zum Beispiel, oder eben Element of Crime. Als Kempff deren Sänger Sven Regener später noch wegen eines Einzelporträts fragt, lehnt der allerdings ab: "Als Schriftsteller könntest du mich einzeln fotografieren. Aber in diesem Kontext bin ich mit der Band da. Wir haben auch schon mal abgelehnt, auf der Titelseite des Rolling Stone zu erscheinen, weil die nur ein Gesicht und nicht die ganze Band ablichten wollten. Also kamen statt wir U2 aufs Cover. Und die wurden tatsächlich nur von Bono Vox vertreten", erklärt Regener. Das Puch-Festival schätzt er als "ein echtes Indie-Festival". Viele Festivals hätten dagegen "so ein Event- und Rummelplatz-Gesicht", sagt Regener. Beim Puch-Open-Air stehe indes die Musik im Vordergrund: "Für Element of Crime ist das mehr die Sahne obendrauf. Aber es gibt viele Bands, die exzentrische Musik machen, die mit ihrer Musik nicht im Mainstream unterwegs sind. Und für die ist es sehr wichtig, dass solche Festivals funktionieren, und dass sie hier ihr Publikum finden können", sagt Regener, den der Auftritt der Münchner Formation Friends of Gas an die Aufbruchstimmung der frühen Achtzigerjahre erinnert. Damals habe es viele solcher Bands gegeben, die kompromisslos ihren Sound auf die Bühne getragen hätten, ohne sich vorher zu fragen, wer ihre Zielgruppe sei.

Dass Regener den Friends of Gas überhaupt so aufmerksam zuhören konnte, sei aber auch eine Eigenart des Puch-Open-Airs, wo der Backstage-Bereich direkt neben der Bühne verortet ist. Auf vielen anderen Festivals sei man fernab vom Bühnengeschehen, sagt der Sänger der Element of Crime. Später wird er mit "Weißes Papier" die einzige Zugabe auf dem Puch-Festival spielen, dessen musikalisch buntes Programm im Zeitplan sonst keine Zugaben vorsieht. Voodoo Jürgens steht derweil am Grill der Lehmairs und signiert die Puch-Weste eines Landsmanns. Und der Veranstalter Hubert Lehmair verspricht zufrieden noch viele weitere Puch-Open-Airs: "Wir sind doch viel zu alt zum Aufhören", sagt er.

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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