Japankrimi:Der Trost des Schwertes

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Die höchste Stufe erreichen nur die Duldsamen, Klarheit erreichen nur die Furchtlosen: In Christoph Peters' philosophischem Yakuza-Thriller "Das Jahr der Katze" treffen östliche und westliche Mentalitäten aufeinander.

Von Felix Stephan

In seinem Roman "Das Jahr der Katze" hat sich Christoph Peters eine interessante Aufgabe gestellt: Wie schreibt man einen Thriller, wenn der Tod keine Bedrohung darstellt und für den Spannungsaufbau folglich ausfällt? Der Roman spielt unter Yakuza im Japan der Gegenwart und auch wenn in dieser Welt die traditionellen Werte auf dem Rückzug sind und vieles nicht mehr ist, wie es einmal war, basiert das System auch heute noch auf der Annahme, dass Leben und Tod lediglich zwei Seiten desselben Spielfeldes sind, zwischen denen der shintoistische Soldat im Lauf seiner Existenz immer wieder hin und her wechselt. Vom eigenen Tod geht in diesem Weltbild erst einmal kein Schrecken aus. Die Figuren fürchten sich vor den Geistern der Verstorbenen, die ihre Häuser heimsuchen, mehr als vor mörderischen Mafiosi.

Peters löst das Dilemma, indem er eine Deutsche zur Hauptfigur macht, die zwar einige Erfahrung mit Yakuza hat, aus alter Gewohnheit aber trotzdem am Leben hängt. In Berlin hat sie eine Beziehung mit einem Japaner begonnen, die beiden haben eine gute Zeit als kriminelles Paar verbracht, bis ihr Freund auf eigene Faust einen Konflikt mit der vietnamesischen Mafia vom Zaun brach, der ihn schließlich das Leben kostete. Die Yakuza schicken den Elite-Killer Onishi nach Berlin, der die Sache bereinigt. Als er nach Japan zurückkehrt, nimmt er die Deutsche mit - halb, weil er sich für sie verantwortlich fühlt, halb, weil sie jetzt seine Freundin ist.

Christoph Peters: Das Jahr der Katze. Roman. Luchterhand, München 2018. 350 Seiten, 22 Euro. (Foto: N/A)

Am Beispiel dieses deutsch-japanischen Paares kontrastiert der Roman fortan die Unterschiede zwischen dem individualistisch-emanzipatorischen Westen und dem traditionalistischen Japan. Eine gute Rolle spielt die selbstbewusste Deutsche dabei nicht: Sie will ständig alles Mögliche wissen, widerspricht unentwegt, selbst wenn sie mit einem Mann redet, und fasst alles an. Wenn sie Hunger hat, fragt sie einfach nach Essen und wenn ihr etwas nicht einleuchtet, fragt sie schamlos nach, als sei ihr jemand eine Erklärung schuldig. Weil große Teile der Handlung auf diese Weise vermittelt werden, fällt der Protagonistin die etwas undankbare Aufgabe zu, sehr regelmäßig nicht zu verstehen, was gerade vor sich geht, und in den meisten Fällen lediglich die Antwort zu erhalten, dass man sich auf alles einstellen müsse. Etwa in der Mitte des Romans aber gibt es eine Stelle, in der Meister Harada ausführlich auf sie eingeht und die Gesamtsituation so zusammenfasst: "Mehrere Parteien mit unterschiedlichen Vorstellungen und Interessen, die zudem in sich weniger harmonisch waren, als es nach außen den Anschein hatte, sind durch eine Reihe von Ereignissen, die ihren Ausgang vor fünf Wochen in Europa, in Berlin, genommen haben, miteinander in Streit geraten. Es scheint, als würde sich dieser Streit jetzt weiter hochschaukeln, weil wir die Olympischen Spiele bekommen haben, das ist ein riesiger Kuchen, der verteilt werden muss. Manches geschieht im Verborgenen, aber das, was offenkundig ist, kann auch eine Täuschung sein, um Verwirrung zu stiften. Fest steht, dass Dinge in Bewegung geraten sind, die mit der ursprünglichen Auseinandersetzung gar nichts zu tun haben. Niemand weiß, was in den nächsten Tagen geschehen wird."

Das Personal des Romans setzt sich vor allem aus überzeugten Shintoisten zusammen, die sich um die Zukunft wenig Sorgen machen, weil Furcht nur ablenkt. Stattdessen achten sie darauf, auf alles gefasst zu sein, gemäß den Gegebenheiten entschlossen zu handeln und sich von ihren Leidenschaften nicht vom Wesentlichen ablenken zu lassen, schließlich könnte jede Unkonzentriertheit im Kampf die entscheidende Viertelsekunde kosten. Jede Minute gehen sie an, als handele es sich um die erste ihres Lebens. Diese Philosophie der Schicksalsergebenheit ist nur um den Preis der eigenen Urteilskraft zu haben. Sie bietet gedanklichen Frieden und innere Klarheit, aber eben nur, wenn man auf seine Persönlichkeit verzichtet. Peters zeigt das immer wieder: Der Japonismus ist nicht zuletzt deshalb so attraktiv, weil er sich als Faschismus mit Teezeremonien auffassen lässt.

Gleichzeitig ist in diesem Roman allen Beteiligten bewusst, dass diese Lebensweise auch in Japan längst nostalgisch ist und die Traditionalisten mit ihrem Karate in den Cyberwars der Gegenwart wenig ausrichten können. Umso erlösender sind dann die Momente, in denen sich das Schwert gegen die verlotterten Gegenwartsmafiosi richtet, als verkörpere es das geschichtliche Japan selbst. In jeder Enthauptung liegt in diesem Roman immer auch ein gewisser Trost.

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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