James Brown:Berstende Posaunen

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James Brown vererbte sein gesamtes Vermögen an Schulen. Der Autor James McBride hat sich an die Spur des Geldes geheftet und ein Buch geschrieben, das zu einem Buch über amerikanischen Rassismus wurde.

Von  Jan Kedves

Als James Brown, der "Godfather of Soul" und große Pionier des Funk, am ersten Weihnachtstag des Jahres 2006 mit 73 Jahren starb, hinterließ er ein Testament, in dem steht, dass ein Großteil seines Vermögens, konservativ geschätzt 100 Millionen Dollar, der Schulbildung armer Kinder in South Carolina und Georgia zugutekommen solle. "Zehn Jahre nach seinem Tod hat nicht ein Cent davon auch nur ein einziges Kind erreicht", schreibt James McBride in seiner Biografie "Black and Proud: Auf der Suche nach James Brown und der Seele Amerikas", die in den USA bei ihrem Erscheinen im vergangenen Jahr bejubelt wurde. Der Autor beschreibt, wie Browns zerstrittene Großfamilie, deren Stammbaum er bis in die Zeit der Sklaverei zurückverfolgt, sich mit 90 Anwälten in 47 Klagen auf über 4000 Seiten Prozessakten um das Geld reißt. Er besucht auch die Orte, die Brown geprägt haben - zum Beispiel Daddy Grace's House of Prayer in Augusta, Georgia, wo Brown als Kind die Church-Band mit ihren "berstenden Posaunen, dem hämmernden Schlagzeug und dem nicht aufhörenden Groove" hörte. McBride beschreibt Brown als Künstler der Masken, der unter seiner akribisch gepflegten Pompadour-Frisur eine "aufgewühlte Seele" versteckte und dem alles daran lag, ja nicht durchschaut zu werden. Das merkt McBride nicht zuletzt daran, dass die ehemaligen Bandmitglieder, Manager, Affären, die er besucht, ihm häufig nur widerwillig erzählen, was sie über Brown wissen, und wenn sie dann reden, hört er meist nicht das, was er erwartete. Die New York Times beschrieb "Black and Proud" als so etwas wie einen Bildungsroman, in dem man über den Autor eben fast genauso viel erfahre wie über den eigentlichen Protagonisten. Doch der Afroamerikaner McBride, zu dessen bekanntesten Romanen "Das Wunder von St. Anna" über den Einsatz einer afroamerikanischen Infanterie-Division im Zweiten Weltkrieg zählt, findet genau den richtigen Sound für Browns Musik, die nicht zuletzt die Bürgerrechtsbewegung in den USA befeuerte.

"Black and Proud" ist ein wütendes Buch, ein Buch über die Kontinuität des Rassismus und der unverarbeiteten Traumata sowohl auf afroamerikanischer wie auf weißer Seite. Es ist weniger eine Biografie über James Brown als eine Biografie über das Amerika, das Brown hervorbrachte. Der Schlüssel zu einer besseren Zukunft lag für Brown in Bildung. Was sich nicht nur in seinem Testament zeigte, sondern auch in dieser schönen Anekdote: Wenn manchmal freche Kinder an der Tür von Browns Haus in New York klingelten, kam er tatsächlich heraus. Mit zwei weißen Frauen im Arm. Er sagte dann zu den Kindern: "Immer schön auf der Schule bleiben! Seid keine Narren!"

James McBride: Black and Proud: Auf der Suche nach James Brown und der Seele Amerikas. btb, München 2018. 320 Seiten, 20 Euro.

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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