Interview mit Pete Townshend:"Beifall für die Erfindung des Heroins"

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Lärm als Ausdruck der Psyche: Pete Townshend spricht über schlimme Drogen, das Altern, seine Band The Who, Opernabonnements und sexuelle Phantasien über Mick Jagger.

Willi Winkler

Pete Townshend hat sich als Studio ein mindestens achteckiges Bootshaus an der Themse in Richmond gekauft. London liegt ganz weit weg im Nordosten, aber von oben senken sich die Flugzeuge auf dem Weg nach Heathrow. Von hier aus sendet Townshend 24 Stunden am Tag mit Livestream. Am Abend vorher hat er eine kleine Talkshow mit seiner Freundin Rachel Hunter und Mick Jaggers Ex-Frau Jerry Hall veranstaltet. In der Ecke stehen acht Gitarrenkästen, darüber zwei Fotos aus den sechziger Jahren mit den noch vollständigen Who. Der Musiker lehnt am Geländer der Terrasse und schaut entrückt über die Themse. Inzwischen sieht er aus wie ein alter Seebär, der jeden Hafen dieser Welt gesehen hat.

The-Who-Gründer Pete Townshend. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Mr. Townshend, Sie haben mal von Ihrem Bedürfnis nach Lautstärke gesprochen, und dass Lärm ein Ausdruck Ihrer Psyche sei.

Pete Townshend: Lautstärke spielte immer eine große Rolle für mich. John Entwistle hatte früher einen ungeheuren Verstärker, aber dann hörte man nur noch seinen Bass. Ich wollte aber auch gehört werden. Für meine Fender-Gitarre wollte ich einen starken Sound. Bei uns in der Nähe hatte Jim Marshall seinen Laden, also ging ich zu ihm und sagte: "Jim, ich will einen Sound wie Johnny Applesauce. Ich will so laut sein wie der." Dann kam Keith Moon zu den Who, und man konnte nur noch das Schlagzeug hören. Der Lärm war auch ein Kampf, um das Publikum zum Schweigen zu bringen.

SZ: Warum wurde das Publikum laut?

Townshend: Es mischte sich immer ein. Sie wollten uns zum Aufhören zwingen oder kamen mitten in einem Stück auf die Bühne und forderten ein anderes. Oder sie wollten ein Gespräch mit uns anfangen. Es war der reinste Dschungel. Ich kam also immer wieder im Laden vorbei und sagte: "Jim, ich brauche einen richtigen Verstärker. Jim", sagte ich, "ich brauche diese verdammten Waffen!" Das stachelte seinen Ehrgeiz an. Ich wollte, dass meine Arbeit respektiert und überhaupt gehört wurde, während Jim wie Krupp war: Er wollte die ganz große Kanone bauen.

SZ: Die Dicke Bertha unter den Verstärkern.

Townshend: Er wollte genau wie die Firma Krupp im Hintergrund sitzen und das Geld zählen, während andere vorn alles abkriegten. So haben wir beide den Marshall-Sound erfunden, direkt vom Instrument in den Verstärker. Wir gaben den Sound dann weiter an Eric Clapton und Jimi Hendrix, die es in etwas viel Musikalischeres und Eloquenteres verwandelten.

SZ: Kann man sagen, dass es den Who mehr auf den Krach als auf die Musik ankam?

Townshend: Ich habe die Who immer als Installation betrachtet. Das ist natürlich eine nachträgliche Interpolierung, aber ich hatte ein Programm. In den frühen Interviews habe ich immer erklärt: "Lange werden wir es nicht machen. Wir werden uns selber zerstören. Wir steigen auf und werden wieder fallen." Ich sah mich als Künstler, der nach den Who vielleicht einer ernsthaften Tätigkeit als Bildhauer nachgehen würde. Der Erfolg war dann schuld daran, dass ich doch nicht nach Hause gegangen bin, als ich meine erste Gitarre kaputtgehauen hatte. "Gut", dachte ich mir, "ich bin Künstler, und ich kann ebenso gut Gitarre spielen."

SZ: Also sind die Who eher ein Zufallsprodukt?

Townshend: Wir fingen damit an, dass wir uns dem widersetzten, worüber sich die anderen einig waren. Unser erster Hit "I Can't Explain" war eigentlich wie ein Talking-Blues von Bob Dylan, eine frühe Version von "My Generation". Statt "da-da-dada", ging es (Pete Townshend näselt an den Worten entlang) "I Can't Explain".

SZ: So klingt es tatsächlich wie Dylan!

Townshend: In der Art wie Dylan das machte, als erzählende Songs, sah ich eine Chance für unsere Musik. Und dann waren da die Fans, die Mods von West London. Sie kamen und sagten: "Das ist unser Song. Du solltest mehr solche Sachen schreiben."

SZ: Die Mods haben eine richtige Delegation geschickt und Musik bestellt?

Townshend: Genau das. Lustigerweise kamen sie mit einem Tamburin und einer Harmonika, spielten mir etwas vor, für das sie sich von mir einen Text wünschten. Es war irgendwas in der Art (er klopft es auf den Tisch): "Takatongtakatongtakata..." Mein Lehrer an der Kunstschule hatte mir beigebracht, dass das Wichtigste für einen Künstler der Auftrag sei. Jetzt hatte ich ihn, ich schrieb Songs für die Mods, für Leute in meiner Umgebung. "My Generation" ist einer davon. Ein Song über das Missbehagen, den Anspruch, auch einen Platz zu finden, aber mit einer gewissen Distanz.

Seite 2: Wer die Verantwortung für Tony Blair trägt und warum alles, auch Asche schnupfen, möglich ist.

SZ: "My Generation" klingt aber nicht distanziert, Sie sind da Teil der Bewegung.

Townshend: Ja, ich schrieb für eine Gruppe, aber andererseits... Ich schrieb dann "I'm A Boy", was für die Mods ein seltsamer Song sein musste. Damals lebten Jungs in Shepherd's Bush, die mit homosexuellen Beziehungen experimentierten. Es gab da einen Club in London, in dem man nicht sagen konnte, wer schwul war und wer dort als Stricher verkehrte. David Bowie ging da hin, Mark Bolan, Rod Stewart, Long John Baldry. Einige waren bisexuell, einige homosexuell. Mark Bolan erzählte mir mal, dass auch er als Stricher gearbeitet hatte, um sich Sachen zum Anziehen kaufen zu können. Da merkte ich, dass ich über etwas schrieb, das ich nicht verstand. Ich fühlte mich in der schwulen Gemeinde in Chelsea, wo ich damals wohnte, zwar wohl, aber ich wollte nicht als Schwuler gelten, weil ich (er lacht) auf der Suche nach meiner idealen Frau war.

SZ: Sind wir das nicht alle?

Townshend: Die Frau, von der ich immer geträumt hatte.

SZ: Neben Ihrem Manager Kit Lambert gab es damals viele Schwule im Musikgewerbe: Brian Epstein, der Manager der Beatles, war schwul, und Andrew Oldham, der Manager der Stones, war mindestens bisexuell. War Musik nicht eine kreative Möglichkeit, sich zu offenbaren, ohne es offen zu tun?

Townshend: Schon möglich. Denken Sie an das Androgyne von Mick Jagger. Wenn es je ein schwules Gen in meinem Körper gab, dann brachte er es zum Vorschein. Ich habe ihn beobachtet, und ich dachte, das ist der erste Mann, mit dem ich ficken will, das ist er. Als junger Mann war er schön und lang und schmal, sehr erotisch einfach nur zum Anschauen, gar nicht effeminiert, er hatte eine Art gemarterte, athletische Weiblichkeit. Ich war dafür offen, aber...

SZ: ...es ist dann doch nichts draus geworden?

Townshend: Ich wollt es nicht. Dennoch: Es war damals alles möglich. Rod Stewart hatte diese seltsamen langen Locken an der Seite, er hat sie eigentlich immer noch.

SZ: Und heiratet immer großbusigere Frauen.

Townshend: Vielleicht will er auf der sicheren Seite sein.

SZ: Tony Blair, der jetzt seinen Rücktritt angekündigt hat, bezeichnete sich einmal als "modernen Mann aus der Rock'n'Roll-Generation". Sind Sie nicht letztlich für Tony Blair verantwortlich?

Townshend: In gewisser Weise schon. Es kann sogar gut sein, dass ich ihn noch ermutigt habe, in den Irak zu ziehen. Ich habe natürlich nicht diesen Einfluss, aber ich war der Meinung, dass wir es tun und uns nicht alles gefallen lassen sollten. Heute weiß ich, dass ich mich vollkommen getäuscht habe. In der Welt, in der ich aufgewachsen bin, gibt es eine ganz merkwürdige Arroganz.

SZ: Dass man alles tun kann?

Townshend: Man kann es eben nicht! Aber das Gefühl, dass... Ich sollte es nicht tun, ich sollte nicht von mir ablenken und von Keith Richards reden, aber wenn er sich die Asche seines toten Vaters reingezogen hat...

SZ: Das war doch ein Witz, ich bitte Sie!

(Pete Townshend sagt nichts und macht ein Gesicht, das nur eins bedeutet: Doch, doch, er hat!)

SZ: Das kann ich mir einfach nicht vorstellen!

Townshend: Mit der Arroganz unserer Generation kann er sich auch die Asche seines Vaters reinziehen. Dann ist es in gewisser Weise auch in Ordnung, dass er von einem Baum herunterfällt, und das überlebt, oder sich angeblich einer Operation am Gehirn unterziehen muss. Es gibt keine Regeln. Pete Doherty kann tun, was er tut und kommt damit durch oder vielleicht nicht ganz. Es kommt nicht darauf an, es ist egal. Das geht bei diesen Leuten, die wie Keith Moon bereits zu Lebzeiten Ikonen werden. Aber daran starb er auch.

Seite 3: Arrogant und gelogen, in der Welt der Synthesizer und seltsamen Frisuren.

SZ: Weil einer den Preis für die Exzesse bezahlen musste.

Townshend: Und um genau diese Frage - "Sind wir bereit, den Preis dafür zu bezahlen?" -, dreht sich alles im Rock'n'Roll. Unsere Generation musste sich zusammenfinden, musste eine Gruppe bilden. Wir mussten uns vielleicht gar nicht von der Gesellschaft lösen, aber es musste uns klar sein, dass uns die etablierten Prinzipien, auf denen die Gesellschaft beruhte, nicht helfen würden. Wir waren gezwungen, als Gruppe, als Generationskohorte, zusammenzubleiben, es blieb uns gar nichts anderes übrig. Und jetzt kommt die Kehrseite: Wenn man wie ich auserwählt ist, um auf der Bühne zu stehen, wird man unweigerlich immer und immer sprechen. Meist sagen die Leute: "Ja genau, das stimmt, was der sagt!" Am Ende glaubt man selber, alles, was man sagt, sei automatisch richtig. Was hat man Tony Blair vorgeworfen?

SZ: Was?

Townshend: Dass er allen Ernstes glaube, das, was aus seinem Mund kommt, sei die Wahrheit! Es ist eine generationstypische Krankheit. Einen Künstler aus meiner Generation verleitet das zu einer gefährlichen Arroganz.

SZ: Sie liefern mir die nächste Frage auf dem Tablett: Was halten Sie von der Version von "My Generation", durch die die Alten-Combo "The Zimmers" im Internet weltberühmt geworden ist?

Townshend: Als die Anfrage wegen der Rechte kam, dachte ich: Warum nicht? Meine Mutter ist 86, und sie hat es nicht leicht. Sie müsste betreut werden, sie bräuchte Therapie, aber sie lebt allein und will niemanden um sich haben. Sie könnte noch zehn herrliche Jahre haben, aber sie trinkt, sie tobt, sie macht sich alles so schwer. Als ich die "Zimmers" dann auf Youtube sah, musste ich lachen. Bis auf den Sänger, der ein seniler alter Trottel ist, gefiel mir alles daran, besonders der Chor.

SZ: Lustig, wie die Alten singen: "Talking 'bout my generation".

Townshend: Ich mag das Singen in der Gemeinde, ich liebe Chöre. Ich bin selber Musiker, drum werde ich es nicht tun, aber sonst könnte ich mir vorstellen, mit siebzig in einen Bühnenverein einzutreten und ein Opernabonnement zu erwerben.

SZ: Und dass die Alten die Hymne der ewigen Jugend parodieren?

Townshend: Darauf bin ich stolz! Als Autor fühlt man sich dann wie ein Komponist, der ein Volkslied geschrieben hat. Das war für mich immer das Problem als Komponist der Who: Da schreibt man Songs und muss sie dann verdammt noch mal auch vortragen.

SZ: Mick Jagger sprach schon vor Jahrzehnten davon, dass sich der Rock'n'Roll verbraucht habe.

Townshend: Ich war zum selben Schluss gekommen wie er und habe 1982 die Who verlassen, es ging nicht mehr. Es war die Welt der Synthesizer und Computermusik und der seltsamen Frisuren geworden. Die Pointe ist: Ich habe nicht weitergemacht, sondern als Lektor in einem Verlag gearbeitet, aber Mick machte weiter. Ich war damals der Meinung, dass der Rock'n'Roll mit seiner Symbolik, also mit der Gitarre, der schieren Körperlichkeit, das Publikum nicht mehr beeindrucken könnte. Komischerweise ist es jetzt wieder da, ich weiß nicht, warum.

SZ: Ich habe Sie voriges Jahr auf der Bühne gesehen, Sie schrubbern wie früher über die Gitarre, aber Sie springen nicht mehr in die Luft.

Townshend: Ich bin 62. Mick arbeitet ganz anders an sich als ich. Er isst fast nichts, und er hat kein Gramm Fett am Körper. Ich habe das Glück, dass ich gesund bin. Ich trinke und rauche nicht und habe seit zwanzig Jahren keine Drogen mehr genommen, das unterscheidet mich von den meisten Jungs, die einmal zu unserem brat pack gehörten.

SZ: Roger Daltrey sagt auch, dass er völlig clean ist.

Townshend: Aber er hat mehr Schwierigkeiten mit seiner Gesundheit. Interessant ist aber nicht, dass wir weitermachen, sondern wie wir es machen. Die Gruppe funktioniert wieder.

SZ: Aber die Who sind doch nur mehr zwei Leute, Sie und Daltrey.

Townshend: Ich glaube, dass uns John Entwistles Tod 2002 in der Hinsicht geholfen hat. Unser Zusammenspiel ist seither viel enger. Wir sind beide besser geworden. Roger will das Publikum jedes Mal erobern, während es mir vollkommen wurscht ist.

SZ: Das ist arrogant und vor allem gelogen.

Townshend: Mich interessiert etwas anderes. Ich komme mir wie ein Installateur vor, ich will gute Arbeit abliefern. Roger ist das Verbindungsstück.

Seite 4: Über die Wahl zwischen dem schnellen Rock'n'Roll-Tod oder Gassi gehen mit dem Hund.

SZ: Offenbar stirbt man in Ihrer Branche, im Rock'n'Roll, sehr früh, oder man entwickelt sich zu einem weisen, alten, eigentlich unsterblichen Bluesmusiker. Keith Richards muss sich tonnenweise Kokain reingezogen haben, aber er ist immer noch gut dabei.

Townshend: Ich glaube, das hat er dem Morphin zu verdanken. Dafür haben die Deutschen wirklich allen Beifall verdient, für die Erfindung des Heroins.

SZ: Das sollen die Deutschen erfunden haben?

Townshend: Doch, der Chemiker hieß so, Dr. Heroin. Schauen Sie mal nach. (Der Interviewer hat zu Hause nachgeschaut. Erfunden hat es ein englischer Chemiker, aber die gute deutsche Firma Bayer entwickelte das Verfahren weiter und ließ es unter dem Begriff "Heroin" patentieren.) Als mein Vater im Sterben lag, litt er unter starken Schmerzen. Er hing am Tropf, sagte aber: "Ich will es mal versuchen und setze es ab." Als ich ihn am nächsten Tag besuchte, erwartete ich ein lächelndes Gesicht. Stattdessen schrie er mich an: "Verschwinde! Hau ab! Ich habe genug für dich getan!" Er wurde wieder angehängt, und die letzten zwei Wochen mit ihm waren paradiesisch. Das war das Morphin. Nicht das Heroin bringt einen um, sondern das, womit es vermengt wird.

SZ: Moment mal, wir reden über die schlimmsten Drogen.

Townshend: Ich möchte hier nicht den Heroingenuss propagieren, aber Sie können mit jedem Arzt, mit jeder Schwester reden: Ohne Heroin wäre das Leben der reine Horror. Ich glaube, dass mir als Künstler so viel gelungen ist, weil ich mich mit diesem Zeug beschäftigt habe. Heute geht das, ohne dass das Publikum oder ich betäubt sein muss.

SZ: Charlie Watts, der Drummer der "Rolling Stones", begann mit über vierzig Heroin zu nehmen, nachdem er bis dahin seine Kumpel dafür verachtet hatte, dass sie drogenabhängig waren.

Townshend: Ich verstehe das auch nicht. Charlie scheint ohnehin aus einer anderen Welt zu kommen, ein Anachronismus. Oder Bill Wyman, der schließlich einfach aufhörte und mit siebzig und ohne Rolling Stones sehr glücklich ist. Ronnie Wood hat seine Schwierigkeiten mit Drogen, Keith Richards hat sie, und auch Mick Jagger hat seine Probleme: eine unglückliche, gescheiterte Ehe, überall Kinder verstreut.

SZ: Jedenfalls ist er herumgekommen.

Townshend: Die künstlerisch-kreative Angst bei den Rolling Stones ist eine sexuelle, und sie kommt nicht von Keith, sondern von Mick. Der hat diesen machtvollen verstörenden Sexualtrieb, der sich auf der Bühne, in der Musik, in seinen Songs äußert. Mick ist ein guter, guter, guter Mann, aber sein Sexualtrieb belastet ihn. Keith ist die perfekte Folie für Mick, denn er kümmert sich nicht um diese Sexsachen. Sex ist das Letzte, was einen interessiert, wenn man mit Heroin beschäftigt ist.

SZ: Das wissen Sie, weil Sie...

Townshend: Ich habe Heroin genommen, ganz kurz, aus therapeutischen Gründen. Die Ärzte haben mich gefragt, ob ich an reines Heroin gelangen könnte, und haben es mir dann empfohlen. Es waren drei Monate. Das Beste daran war, dass mich Sex nicht mehr interessierte. Es gab zwei oder drei Mädchen, mit denen ich damals zu tun hatte. Sie liebten mich bedingungslos, sie verehrten mich, vermutlich, weil ich so nett war.

SZ: Wie sind Sie denn wieder davon losgekommen, vom Heroin?

Townshend: Ich bin nach Kalifornien und habe mich einer Einzeltherapie unterzogen. Ich habe große Mitgefühl mit all diesen Jungs, mit allen aus meiner Generation, auch mit Paul McCartney, der grade so Furchtbares durchgemacht hat. Meine Freundin ist sehr jung, sie ist erst 33.

SZ: Und sie würde nie so was machen wie Heather Mills?

Townshend: Nicht dass ich daran nicht selber gedacht hätte. Wenn man sich selber von außen sieht, denkt man: ein Witz, der Alte und seine junge Freundin. Vor zwanzig Jahren wären wir in diesem Alter weg vom Fenster gewesen, und das hat sich ganz plötzlich gewandelt. Da war man darauf vorbereitet, in Ruhe 63 zu werden, ein wenig mit dem Hund nach draußen zu gehen und langsam vergessen zu werden. Und dann lassen sie einen nicht gehen. Es ist ein Schock.

Pete Townshend, 62, ist der Gründer der britischen Rock-Gruppe The Who, für die er Hits wie "My Generation", "Substitute" und "Won't Get Fooled Again" schrieb. Die Gruppe wurde vor allem dadurch bekannt, dass ihre Konzerte grundsätzlich in einer Zerstörungsorgie endeten: Townshend zerschmetterte seine Gitarre am Verstärker; Keith Moon zerdepperte sein Schlagzeug. Die weltweit erfolgreichen Rock-Opern "Tommy" und "Quadrophenia" versöhnten die Kritiker mit dem Lärm der frühen Jahre, aber der Konzeptkünstler Townshend war immer weniger zufrieden mit seiner Musik und stieg schließlich ganz aus. Inzwischen ist Moon ebenso wie der Bassist John Entwistle dem aufreibenden, nicht immer drogenfreien Rock'n'Roll-Leben erlegen. Townshend, der sich dafür verantwortlich fühlt, arbeitet seit Jahren an einer Autobiographie, die in Teilen bereits im Internet auf www.petetownshend.co.uk nachzulesen ist. Im vergangenen Jahr erschien "Endless Wire", die erste Who-Platte seit 22 Jahren. Nun ist die Band wieder auf Tournee: 9. Juni, Fulda; 13. Juni, München; 14. Juni, Zürich; 16. Juni, Leipzig; 18. Juni, Hamburg; 19. Juni, Oberhausen.

© SZaW v. 9./10.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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