Ingo Appelt mit neuem Buch:Männer müssen betteln

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Schade, dass Ingo Appelt nicht mehr böse ist. Mit seinem neuen Buch begibt er sich geradezu auf Mario-Barth-Niveau. Das Lustigste daran ist noch der Titel: "Männer muss man schlagen!"

Ruth Schneeberger

Ingo Appelt war von Anbeginn seiner Karriere in den neunziger Jahren deshalb so erfrischend anders, weil er richtig frech war. Bis heute rühmt er sich damit, das Wort "ficken" in Deutschland salonfähig gemacht zu haben - und vielleicht trifft das sogar zu.

So wurde er berühmt: Ingo Appelt zu Beginn seiner Karriere in den neunziger Jahren. (Foto: Fotocollage: sueddeutsche.de)

Leider hat dieser reißerische Ansatz viele andere darüber hinweggetäuscht, dass der Mann mit der Teufelchen-Frisur nicht nur für die niederen Instinkte steht, sondern durchaus vielfältigere Qualitäten besitzt: Wortwitz, Schlagkraft, Ironie, Bösartigkeit und Bühnentauglichkeit sind nur einige davon. Die wichtigste ist: Er traut sich was.

Diese herausragende Eigenschaft hat Appelt schon vor Beginn des Comedy-Booms wohltuend aus der Menge der Klamauk-Kameraden herausragen lassen, denn Kabarett unterscheidet sich vor allem in einem Punkt entscheidend von seiner kleinen Schwester, der Comedy: Es darf auch mal weh tun. Das Lachen soll dem Zuschauer bisweilen im Halse steckenbleiben.

Als bissiger Spaßmacher war Appelt also verschrieen, vielleicht als der ätzendeste von ihnen. Zwar war er nie hochpolitisch, doch seine kleinen gemeinen Seitenhiebe zwischen den Blödeleien über den Alltag, auch auf Personen des öffentlichen Zeitgeschehens, auf Rudolf Scharping und Helmut Kohl, die saßen.

Was dazu führte, dass seine eigene Show auf Pro 7 im Jahr 2000 gar abgesetzt wurde, weil sein Humor dem Massengeschmack eine Spur zu schwarz war.

Appelt macht Männchen

Was Appelt allerdings nun vorlegt, muss wohl als Rückzug aus der Mecker-Ecke verstanden werden: Appelt macht Männchen. Daran sind zwei Dinge schuld: Erstens hat er ein Buch geschrieben. Zweitens begibt er sich darin auf heißumkämpftes Terrain, nämlich das des Geschlechterkampfes.

Beide Ansinnen wären noch vor ein paar Jahren nicht weiter schlimm gewesen. Doch in diesen Zeiten, in denen jeder ein Buch schreibt, der irgendwie ein Geschlecht in sich spürt und nicht ein anderes, katapultiert das Einreihen in die Edition "Bücher ohne Anlass" den Schreiberling schneller aus der Reihe der anspruchsvollen Komiker heraus, als er selbst sein Geschlecht bestimmen kann. Zweitens ist das Thema Mann, Frau und Streit durch den Kollegen Mario Barth derart durchgelutscht, dass es eigentlich für jeden feinsinnigeren Komödianten vermintes Gebiet sein sollte.

Diese unglücklichen Voraussetzungen setzen sich im Inhalt fort: "Männer muss man schlagen", lautet der Titel, und in sämtlichen zwölf Kapiteln wird diese Aufforderung in allen möglichen Varianten wiederholt, was spätestens nach 20 Seiten doch einigermaßen redundant wirkt.

So ist man am Ende ach so schlau als wie zuvor: Der 41-Jährige fordert janusköpfig dazu auf, seine Geschlechtsgenossen auszupeitschen, durchzuprügeln und fröhlich zu verkloppen, weil sie es nicht besser verdient hätten.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie Ingo Appelt sich anbiedert.

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Ruth Schneeberger

Die Statistik gibt ihm recht, und er führt sie dankbar auf: Männer stellen den Teil der Bevölkerung, der öfter gewalttätig wird, öfter im Knast sitzt, öfter Kriege anzettelt und sich auch ansonsten öfter danebenbenimmt. All diese großen und kleinen Missetaten seiner rüpelhaften Artgenossen reiht Appelt auf, um zu dem immer selben Ergebnis zu gelangen, was an sich nicht weiter schlimm wäre. Er macht dabei nur einen Fehler: Er berichtet davon aus Sicht der Frauenwelt. Switcht zwischen seiner eigenen Weltsicht und der weiblichen hin und her, bis endlich herauskommt: Appelt fühlt sich unterdrückt durch die emanzipatorisch erstarkte Frauenwelt. Er möchte sich endlich wieder ungestraft danebenbenehmen, und trotzdem ernst genommen werden.

Dies ist ein frommer Wunsch, und weil er ahnt, dass ihm dieser zumindest in diesem Leben nicht mehr erfüllt werden wird, reichert er seine Botschaft an mit den üblichen Blödeleien, sogar ein paar bissigen Seitenhieben auf vornehmlich weibliche Politikerinnen und mit mehr oder weniger spaßigen Ausflügen in die Steinzeit. Das reicht aber leider nicht.

Schlechter Versuch

Geht man an dieses Buch heran wie an jedes andere auch, muss man attestieren: Bis auf wenige wortwitzige Passagen bleibt dieser Erguss ein Flop. Es ist immer noch besser als alles, was Mario Barth je bieten könnte, aber gemessen an dem, was er eigentlich kann, bleibt Ingo Appelt deutlich unter seinen Möglichkeiten. Das ist sehr schade; Appelt wäre vielleicht der Einzige gewesen, der einen geistreicheren und trotzdem publikumswirksamen Gegenpol zum ewigen Mario-Barth'schen Männlein-Weiblein-Geplapper hätte bieten können. Allein, es bleibt beim Versuch.

Ob es daran liegt, dass der dreifache Vater, wie er im Interview mit Stefan Raab erklärte, das Buch "in zwei, drei Wochen" heruntergeschrieben hat, und sich vielleicht doch besser noch mal hätte dransetzen sollen, oder ob er die provokativ-marktschreierische Idee des Körperlichwerdens schlicht zu sehr ausgereizt hat - es ist alles eins: Das Buch strengt an, weil es langweilig ist. Und das ist wohl das Gegenteil von dem, was Appelt je wollte oder konnte.

Auf der Bühne wirkt er dabei schon viel frischer: Wie Appelt Freitagnacht bei RTL zeigte, ist er durchaus in der Lage, mit vielen Streichungen und Aktualisierungen, das Thema zu retten, live, theatralisch und publikumswirksam zu verpacken. Vielleicht hätte er es dabei belassen sollen, ein neues Programm zu schreiben - ohne literarisches Begleitprogramm.

Dieter Nuhr, ein ebenfalls eigentlich intellektuell anspruchsvollerer Kandidat, schreibt im Vorwort, Frauen würden dieses Buch sicherlich gerne lesen, weil sie sich an der analytisch dargestellten Niederlage des maskulinen Gecken weiden könnten. Es ist wohl eher das Gegenteil der Fall: Wenn er Glück hat, findet Appelt ein paar männliche Verbündete, die mit ihm den Niedergang des männlichen Abendlandes beklagen und darüber lachen können. Man wünscht es ihm fast.

Denn was er mit diesem Neuling macht, kommt einem Anbiedern an das Publikum gleich. "Männer sollen betteln", diese seiner Kapitelüberschriften scheint er gar zu wörtlich genommen zu haben: Er biedert sich an, an den Zeitgeschmack, an ein Massenpublikum, dem er eigentlich viel zu böse ist, an ein Massenthema, das er unter seinen Möglichkeiten beackert, und an den Trend, unbedingt zum Buchautor zu werden. Diese Wesensänderung manifestiert sich sogar im Äußeren: Das freche Hörnchen in der Stirn musste einer albernen Tolle weichen. Für diesen Fauxpas hätte er eigentlich einen Klaps auf den Hinterkopf verdient. Vielleicht würde das einiges wieder richten.

Ingo Appelt: "Männer muss man schlagen!", rororo, 9,95 Euro

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