Indie-Pop:Pragmatisch mathematisch

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"Alt-J" in der mäßig gefüllten Olympiahalle

Von Martin Pfnür, München

Ließ man den Blick von weiter oben durch die Olympiahalle schweifen, so ergab das ein Bild, das sich nicht so recht schlüssig zusammenfügen wollte. Im Zentrum: Ein Trio, das sich redlich mühte, seinen versponnenen Indie-Pop auf der Bühne mit einer raumgreifenden Wucht zu versehen. Im Parkett: Eine dicht gedrängte Menschenmenge, die von dieser Wucht wohl am meisten abbekam. Und rundherum? Ein arg verwaistes Auditorium, das mit seinen zahlreichen unbesetzten Plätzen ein wenig an sommerliche Sitzungen im Bundestag erinnerte.

Wenn sich der Rahmen nicht mit der Darbietung verträgt, ist das immer etwas schade. Bis zu 15 500 Menschen passen ins weite Rund der Olympiahalle. Sie ist damit die einzige Münchner Konzerthalle, die explizit für massenwirksame Pop-Acts bereitsteht. Alt-J, so viel war auch vorher klar, gehören da noch nicht ganz dazu. Bestechen die Songs der Band aus Leeds doch durch einen Tüftel-Charakter, den auch der Bandname widerspiegelt, der als Macbook-Tastenkombination das mathematisch gern genutzte Symbol Delta ergibt.

Wie mit dem Geodreieck angeordnet standen die drei Briten denn auch auf der Bühne der Olympiahalle, die durch LED-Säulen gedrittelt wurde und so jedem Musiker eine Art Arbeitsbereich zuwies. Angetreten, um ihr orchestral geprägtes Album "Relaxer" zu präsentieren, waren es vor allem die Stücke ihres Debüts "An Awesome Wave", die Alt-J hören ließen. Songs wie "Tessellate" also, das Frontmann Joe Newman und Keyboarder Gus Unger-Hamilton mit einer pastoralen A-Capella-Einlage anbahnten, was einerseits die feinteilige Magie des Stücks zwischen clever synkopiertem Beat und smoother Fender-Rhodes-Grundierung förderte, andererseits aber auch eine gewisse, nun ja, "Berechenbarkeit" mit sich brachte.

Denn so innovativ sich Alt-J im Songwriting zeigen, so wenig erweisen sie sich live bereit, auch nur ein Jota von den komplexen Formeln ihrer Songs abzuweichen. Die gravitätische Elektronik von "Hunger Of The Pine", die fein gepickte Folk-Süße von "Matilda", der schmissig gequäkte Rock'n'Roll von "Left Hand Free", die bassmassierten Trip-Hop-Anklänge von "3WW", all das erklang hier mit einer pragmatischen Genauigkeit, die dem tollen Material der Band ganz und gar gerecht wurde. Der eine oder andere Ausbruch aus der Präzision hätte trotzdem gut getan.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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