Im Kino: "Pirates of the Caribbean 3":Also sprach Käpt'n Sparrow

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Alles auf eine magische Karte gesetzt: "Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt", mit Keira Knightley und Johnny Depp, ist ein Blockbuster-Stillleben, ein Millionen-Dollar-Vanitas-Bild aus Hollywood. Mit Bildergalerie.

Fritz Göttler

Weiter geht's nun nimmer, mit diesem Film ist man, nach 169 Minuten, wirklich am Ende der Welt, nicht nur geografisch und chronologisch, sondern überhaupt, was das Kino kann und sollte und möchte. Alle Grenzen werden also ignoriert, nicht in einer fortlaufenden progressiven Bewegung, sondern in fröhlichem Hin und Retour, in einem narrativen Mahlstrom, der die vertrauten Figuren zu Widergängern ihrer selbst macht, zu reinen Schatten - kaum einer noch, der voll und ganz zu den Lebenden gezählt werden kann, der nicht tierische, pflanzliche Züge trägt. Eine hübsche Koinzidenz, dass dieses Fest des Amorphen gerade startet, weltweit, da man den 300. Geburtstag von Linné zelebriert.

Den unverwüstlichen Jack Sparrow, Johnny Depp, aus dem Reich der Toten zurückzuholen, wo er, vom Kraken verschlungen, am Ende des zweiten Teils landete - das ist das Projekt des dritten Teils der "Pirates of the Caribbean", das bemerkenswert unpathetisch, ganz pragmatisch abgewickelt wird, in der Tradition der klassischen Kino-Serials und ihrer Cliffhanger-Tricks. Das Totenreich ist überhaupt nicht schwarz und düster, sondern absolut blank - von einer salzwüstenhaften Weiße, als hätten die Filmemacher eine Menge Nietzsche oder Deleuze gelesen. Eine Einsamkeitszone, wo alles stagniert, nur Projektionen deines Ich für Unterhaltung sorgen.

Zur Rettung sind derweil Kapitän Barbossa (Geoffrey Rush), Elizabeth Swann (Keira Knightley) und Will Turner (Orlando Bloom) unterwegs, via Schanghai, wo der Neue zu ihnen stößt, Chow Yun-Fat. Um eine magische Karte dreht sich alles, aus jenen Zeiten, da die Kartographie Kunst war - Borges erzählt gern davon -, als die Welt noch mehr terras incognitas aufwies als erforschte, vermessene, kolonisierte Regionen. James Ward Byrkit hat die Karte fabriziert, der in den Credits als "conceptual consultant" geführt wird - er hat bereits bei den ersten Commercials mit Gore Verbinski zusammengearbeitet, hat von Film zu Film seinen Einfluss bei der Konzeption und Gestaltung gesteigert.

Qual des Reichtums

Sieben, acht Monate brauchte er für diese Karte, Hunderte von Namen und Sätzen mussten darauf untergebracht werden, in chinesische Kalligraphie umgesetzt, auf Washi gemalt, das japanische Reispapier. Ein Wunderwerk, und es gibt sie wirklich, diese Karte, sie ist ein Artefakt, kein virtuelles Computerding. Das Kino, die Kunst des Imaginären und Illusorischen, besteht auf Authentizität. "Man spürt, sie hat eine Geschichte", erzählt Byrkit. "Über die Jahrhunderte haben Piraten ihre eigenen Geheimnisse hinzugefügt, sich Nachrichten draufgekritzelt, sie enthält Geheimnisse ohne Grenzen ..."

Mit dieser Karte möchte man sich unendlich lange beschäftigen, aber sie ist nur kurz immer wieder zu sehen, sie besteht aus konzentrischen Ringen, die zueinander verschiebbar sind, einem Zahlenschloss gleich, und dabei, in immer neuen Positionen und Konfigurationen, Landschaften, Territorien, Routen preisgeben. Die Welt wird Schrift, aber ihre Lesbarkeit ist nicht fest etabliert, ist stets gefährdet - das ist die Formel des neuen Actionkinos, eine alte Formel, nun bestätigt in der Ära der Videoclips und der neuen Medien.

Es ist die Qual dieses Kinos, dass es immer mehr Tempo machen muss, von Event zu Event, um sich seiner Lebendigkeit zu versichern, und doch diese Lebendigkeit nur im Detail finden kann. Seine Qual - und sein Reichtum. "Pirates of the Caribbean" ist ein Blockbuster-Stillleben, ein Millionen-Dollar-Vanitas-Bild aus Hollywood. Und womöglich ist das sogar im Sinne von Jerry Bruckheimer, seinem Mega-Erfolgsproduzenten.

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PIRATES OF THE CARIBBEAN: AT WORLD'S END, USA 2007 - Regie: Gore Verbinski. Buch: Ted Elliott, Terry Rossio. Kamera. Dariusz Wolski. Musik: Hans Zimmer. Schnitt: Stephen E. Rivkin, Craig Wood. Produktionsdesign: Rick Heinrichs. Mit: Johnny Depp, Orlando Bloom, Keira Knightley, Chow Yun-Fat, Geoffrey Rush, Bill Nighy, Naomie Harris, Stellan Skarsgård. Keith Richards. Buena Vista, 169 Minuten.

© SZ v. 24.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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