Im Kino: Gigli:Der Mann, der die Frauen piekte

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Affleck und Lopez üben für ihren Regisseur Martin Brest eine "Liebe mit Risiko" - so der deutsche Titel von "Gigli". Im wirklichen Leben können sie diese Lektion ja auch brauchen.

FRITZ GÖTTLER

Jemand musste Larry G. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, steht plötzlich, im vorletzten Kapitel dieses Films, Boss Starkman aus New York im Zimmer und wundert sich, was denn nun aus dem Auftrag geworden ist, den Larry für ihn erledigen sollte. Al Pacino ist Starkman, er spielt ihn nervös, bedrohlich, unberechenbar - ein Relikt, ein Überbleibsel aus den guten alten Gangstertagen. Dass es mit denen nun wirklich vorbei ist, war schon an besagtem Larry Gigli - Ben Affleck - zu erkennen, mit seiner engen glatten Lederjacke, seinem ebenso glatten Haarschnitt, seinen knappen Hemden und Shirts und seinen konzeptlosen Tattoos. Für die geschäftliche Vermittlung zwischen der Ost- und der Westküste ist Louis zuständig, der mit seinen Mitarbeitern meistens auf den Straßen von L. A. verhandelt, wobei Verhandeln bedeutet, dass Larry ihm möglichst cool und nebenbei mitteilen muss, dass er grade mal die Hälfte der schuldigen Summe beibringen kann . . . der Zusammenbruch der New Economy hat auch aufs kleine Gangsterleben seine Auswirkungen und aufs Genre des Gangsterfilms in Hollywood.

Benni, lass schon mal den Wagen an! Ich schaue derweil den Highway hinunter. (Foto: Szenenbild "Gigli")

Man spürt die alten Zeiten in den Bemühungen der Figuren, jene Ära als Standard zu nehmen und ihr nachzueifern im eigenen Handeln und Benehmen, die sie geprägt hat. Ein Bemühen, das schnell zu Verkrampfung führt oder ausartet in Hysterie, und nur in einer Szene Erfolg hat - wenn Christopher Walken sich als Detective Stanley Jacobellis präsentiert und so elegant durch seinen Auftritt swingt, wie man das bei diesem Namen einfach erwartet.

Mit etwas Mühe kann Larry den Kriminaler abwimmeln, und darf sich dann wieder um Brian kümmern, den autistischen Jungen, den er aus einer Tages-Anstalt entführt hat und dessen Bruder, ein Bundesanwalt, Starkman Probleme bereiten könnte. Zur Unterstützung steht Ricki vor der Tür, Jennifer Lopez als hitwoman, eine Kontraktkillerin im Auftrag von Louis. Eine ziemlich unheilige Familie sind die drei, in der nicht mal die Eckwerte stimmen - Ricki ist lesbisch. Sie kann die Fläche nicht bieten, auf die Larry seine Machoattitüden gern projizieren würde, seine Performance geht ins Leere. Lopez macht allein ihre Yoga auf dem Fußboden und doziert dabei über Höhen und Tiefen der sexuellen Erfahrung, über Leitsätze der altchinesischen Kriegsführung und über jenen edlen Körperteil, den sie stolz ihre Pussy nennt.

Selten hat ein Film so intensiv vermittelt, was es heißt, in ein existentielles Loch zu fallen - jenen Moment, da einem die Lebenslinie zerreißt. Selten hat ein Film Figuren gehabt, die so vollkommen aus ihrer Zeit gefallen sind. Die weiten Appartements mit ihren monochromen Wänden, die der American Gigolo einst geschmeidig durchstreifte, wirken nun, in Cinemascope gefilmt, erschreckend leer und unbewohnbar - ein Format, das nur Giglis blauen Chevrolet Impala zugute kommt. Die einzige Farbe, die eine Zukunft hat in dieser Welt.

Ein Gigolo will auch Larry Gigli sein, das heißt in seinem Fall, er spielt mit großem Körpereinsatz, aber sehr beschränkten Mitteln den latin lover alten Schlages - und das ausgerechnet jener Frau gegenüber, die die Latina von heute inkarniert. Das ist, selbst im amerikanischen Kafka-Carroll-Land, eine monströse Konstellation, die Martin Brest ("Midnight Run", "Der Duft der Frauen") mit der gewohnten Schamlosigkeit ausgiebig studiert.

Der Film, der so schmerzlich von der Zerstörung der menschlichen Kommunikation handelt, hat selbst ein großes zerstörerisches Potential entwickelt. Er ist zur Witzfigur des Kinosommers geworden, hat eine Lawine an bösartigen Kritiken ausgelöst, den Karrieren des Traumpaars Affleck/Lopez einen Knacks gegeben, der Produktionsfirma Sony das mieseste Geschäftsjahr seit langem beschert.

Aber irgendwie hat das alles nur die Unschuld verstärkt, die von dem Film ausgeht, von seinen ungelenken Bewegungen und delierenden Stimmungen. Es ist kein perfekter amerikanischer Traum, aber man zittert doch vor dem Aufwachen.

GIGLI, USA 2003 - Regie, Buch: Martin Brest. Kamera: Robert Elswit. Schnitt: Billy Weber, Julie Monroe. Musik: John Powell. Mit: Ben Affleck, Jennifer Lopez, Justin Bartha, Christopher Walken, Al Pacino. Columbia, 110 Minuten.

© SZ v. 30.10.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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