Im Kino: "Frost/Nixon":Slipper für den Präsidenten

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Schickimicki-68er trifft deplatzierten Ex-Präsidenten: "Frost/Nixon" ist ein sehr aktueller Filmschlagabtausch zu Politik, Macht & Recht.

Fritz Göttler

David Frost, der britische Startalker, kommt als Schickimicki-68er daher in diesem Film. Dichtes Haar und breite Koteletten, blauweißgestreiftes Hemd, italienische Slipper. Die sehen ja ziemlich weibisch aus, mokiert sich Ex-Präsident Richard Nixon, als sich die beiden das erste Mal begegnen. Der Film-Frost sucht den Erfolg, er ist unglücklich mit seinen Shows auf der Bee-Gees-Ebene. Die eigene Smartness wird ihm zum Problem. Das Top-Duell mit Richard Nixon, drei Jahre nach dessen schmachvollem Rücktritt, sieht er als Nobilitierung - er wird Zuschauerrekord erzielen, über 45 Millionen. Der wirkliche Frost findet das ein wenig verzerrt - er hatte schon vor dem Nixon-Scoop politische Interviews gemacht, auch eins mit Nixon. Er ist inzwischen Sir David und arbeitet bei der amerikanischen Ausgabe von al-Dschasira. Er mag das Stück von Peter Morgan und den Film, den Ron Howard nun danach gedreht hat.

Sind sich ähnlicher, als ihnen lieb ist: Richard Nixon (Frank Langella) und David Frost (Michael Sheen). (Foto: Foto: ap)

1974 muss Nixon wegen Watergate aus dem Amt. Seitdem sorgt er sich, welche Rolle man ihm einst zuschreiben wird in der Geschichte. Meidet die Öffentlichkeit, verkriecht sich in sein Domizil an der Westküste - recht deplatziert wirkt er dort. Der Deal, den David Frost ihm vorschlägt, ist für beide absurd. Denn Nixon meint, seine Vision seiner Politik, seiner Leistungen bieten zu können, sieht im Interviewer nur einen Stichwortgeber. Ein leichtes Spiel mit einem politischem Federgewicht - aber was bedeutet ein Sieg über so einen Gegner am Ende? Vielleicht locken ihn doch nur die 600 000 Dollar, die er kassieren wird.

Frost/Nixon sind sich ähnlicher , als ihnen lieb ist. Zwei Fälle vehementer Vorwärtsverteidigung. David Frost muss das Geld selber auftreiben für den Deal, hat gewaltige Probleme, seine vierteilige Sendung zu verkaufen. Zuverlässige Partner recherchieren für ihn, suchen Schwachstellen - vorndran Bob Zelnick, von Sam Rockwell mit jugendlicher Ungeduld gespielt. Schmerzhaft verzieht er das Gesicht, wenn Nixon, konfrontiert mit erschütterndem Archivmaterial aus dem Vietnamkrieg, mit einer eleganten rhetorischen Volte kontert: Ja, er hat den Krieg nach Kambodscha ausgeweitet, aber dort haben sie die Waffenlager der Kommunisten eliminiert, und jedes amerikanische Soldatenleben, das dadurch gerettet wurde, hat diesen Einsatz gerechtfertigt.

Wie ein junger Mönch

Peter Morgan liebt es, um historische Ereignisse herumzuschreiben und subtil unsere Perspektive zu verschieben, er hat es mit seinem Drehbuch zu "The Queen" gezeigt. Am Ende galt nicht der Queen - trotz Helen Mirren - unsere Aufmerksamkeit, sondern Tony Blair unser Mitleid. Der Underdog! Michael Sheen spielte ihn, der diesmal als Frost dabei ist. Und wieder passiert es,- am Ende ist man - manche der amerikanischen Kritiker waren nachgerade entsetzt - Nixon viel zu nah. Alles scheint möglich: Ob das nicht ungesetzlich war, was er gemacht habe? Nun, entfährt es Nixon, wenn der Präsident es tut, dann ist es nicht ungesetzlich! Er glaubt fest daran. Royals im Weißen Haus - ist dies der beste Film, den es je über die Bush-Zeit geben wird?

Richard Nixon ist einer von denen, die sich das Leben schwer machen, weil sie sich nicht wirklich entschuldigen können. Frost will sein Bekenntnis erzwingen, dass er mit Watergate sein Volk betrogen habe, aber er guckt dabei so unglücklich verkniffen wie ein junger Mönch in der Inquisition. Nixon schwitzt sich die Seele aus dem Leib, der einzige Fehler des Politprofis. Frank Langella verkörpert ihn grandios - von innen her. Wie er eckig die Arme auseinanderbreitet und sein Volk grüßt. Diese Selbstsicherheit, die immer wieder in Selbstgefälligkeit rutscht. Haben Sie auch gevögelt vorige Nacht, fragt er Frost, kurz bevor die Kamera loslegt. Das muss nicht unbedingt von Durchtriebenheit zeugen.

Höllische Vision

Erst als alles verloren scheint, kriegt Frost doch noch die Kurve. Er wirft sein Clipboard mit den vorbereiteten Fragen auf den Boden. Mann gegen Mann. Es ist ein Clash der Kulturen, der Generationen, das aufrechte Amerika gegen das dekadente England. Nixon gesteht, dass er alle verraten hat, die Freunde, das Land, das Regierungssystem, die Träume der Jugend, das amerikanische Volk.

Frost/Nixon, das sind zwei Underdogs, zwei Deklassierte, die sich im Kampf vereinen. Am Tag vor dem letzten Duell ruft Nixon Frost in seinem Hotelzimmer an. "Did the snobs look down on you, too?" Dieser Anruf, das sind ein paar gespenstische Minuten in diesem herrlich absurden Film. Das Kammerspiel weitet sich zur höllischen Vision. Die Frage bleibt, ob er wirklich stattgefunden hat.

FROST/NIXON, USA 2008 - Regie: Ron Howard. Buch: Peter Morgan. Kamera: Salvatore Totini. Musik: Hans Zimmer. Mit: Frank Langella, Michael Sheen, Kevin Bacon, Rebecca Hall, Toby Jones, Matthew Macfadyen, Oliver Platt, Sam Rockwell. Universal, 122 Minuten.

© SZ vom 4.2.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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