Im Kino: "Dixie Chicks: Shut Up & Sing":Ganz oben auf der Hühnerleiter

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"Wir schämen uns, dass der Präsident der USA aus Texas kommt." - Mit diesem Satz zogen die Dixie Chicks 2003 den Hass der Fans auf sich. Der Film "Shut Up & Sing" zeigt, wie die Band sich zu neuen Triumphen kämpfte.

Susan Vahabzadeh

Die amerikanische Rechte behauptet ja gern von sich, Gott auf ihrer Seite zu haben; er spielt dann aber oft fürs falsche Team. In der "Dixie-Chicks"-Dokumentation von Barbara Kopple und Cecilia Peck geht es um Redefreiheit, um die Vehemenz, mit der man im Herzen Amerikas versuchte, ein paar Country-Sängerinnen den Mund zu verbieten.

Wenn man sich in den USA gegen den Präsidenten ausspricht, kann das wüste Beschimpfungen nach sich ziehen. Die Dixie Chicks wehrten sich auf ihre Weise. (Foto: Foto: AP)

Und dann - ein Glücksfall für einen Dokumentarfilm: Bei einer Demonstration vor einem Dixie-Chicks-Konzert watschelt eine überdimensionierte Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm den beiden vor die Kamera, beschimpft kurz die Band. "Wir sind Patrioten, nicht wahr", sagt sie zu dem Kleinen auf ihrem Arm, und als er nicht reagiert, bellt sie: "Sag es!"

Das ist ein wunderbarer Moment für diesen Film, er verschafft der Geschichte ihren "comic relief", das Lachen der Erleichterung; und er bebildert sehr deutlich, warum die Gräben, um die es hier geht, am Ende tiefer sind als je zuvor und keine Verständigung möglich ist.

Dass sie mit der Zweiteilung der amerikanischen Gesellschaft, dem Graben zwischen Liberalen und Hardcore-Konservativen einmal etwas zu tun haben würden, hätten sich Mary Maguire, Emily Robison und Natalie Maines wohl nicht träumen lassen. Sie stolpern ziemlich unbedarft in die Sache hinein. Schon als junge Mädchen sind die drei zu Stars geworden, zu einer der erfolgreichsten Country-Bands.

Ihr Manager erzählt, wie er sie entdeckt hat - die Musik gefiel ihm überhaupt nicht, aber die Texanerinnen waren extrem hübsch und konnten tatsächlich spielen, also war er sich sicher, man könnte was draus machen. Hat geklappt, sie wurden so berühmt und populär, dass ihnen die Ehre zuteil wurde, beim Superbowl das "Star Spangled Banner" zu trällern.

Zwei Monate später, am 10. März 2003, geben sie ein Konzert in London. Draußen auf den Straßen wird gegen den beginnenden Irakkrieg demonstriert. Drinnen auf der Bühne des Shepherd's Bush Empire sagt Maines zwischen zwei Songs, Krieg bereite ihr Unbehagen. Und dann, lachend: "Nur dass ihr es wisst - wir schämen uns, dass der Präsident der Vereinigten Staaten aus Texas kommt."

Und dann stehen sie monatelang fassungslos einer Hexenjagd gegenüber - Plattenverbrennungen, Radioboykott, Morddrohungen. Aber Country-Mainstream waren sie nie. In jenem Artikel im "Guardian" über das Konzert, mit dem der Ärger begann, weil er den Bush-Satz zitierte, stand auch: Sie sehen mehr nach New York aus als nach Nashville.

Der Einfluss des Filmemachers

Der Film begleitet die drei Frauen auf dem Weg zum nächsten Album, das dann ein voller Erfolg wurde. Sie reflektieren, was geschehen ist, haben eine Haltung und Selbstbewusstsein gefunden. Natalie Maines wiederholt am Ende ihren Satz von 2003, aber nicht mehr als Krieg-find-ich-doof-Geplapper, diesmal als Bekenntnis. Sie sind inzwischen erfolgreicher als je zuvor, aber einen Weg zurück hat es nicht gegeben: Neues Publikum, neue Band, heißt es einmal. Sie sind in den Graben reingefallen und an der anderen Seite wieder nach oben gekrabbelt.

Barbara Kopple, zweifache Oscarpreisträgerin und große Legende des amerikanischen Dokumentarfilms, ist der Anti-Michael-Moore - sie bleibt im Hintergrund, gibt ihren Geschichten gern den Raum, sich ohne viel Aufhebens und große Inszenierung zu entwickeln, stellt lieber Fragen als zu antworten. Während der Wiederauferstehung der Chicks fällt im Off die Ära Bush in sich zusammen, aber Kopple trumpft keinen Moment lang damit auf. Statt dessen schaut sie still dabei zu, wie sich die drei Frauen fangen, ihre Prioriäten klären - dass sie, auch wenn im Tonstudio Babyfläschchen herumstehen, mit Leib und Seele Musikerinnen sind, nicht aufgeben wollen und sich auch nicht entschuldigen.

Und manchmal - wenn die PR-Strategen zusammensitzen und überlegen, wie man mit dem Schaden umgeht - ergibt sich daraus ein ziemlich irritierender Blick auf das Zusammenspiel von Politik und Unterhaltung und Konzerninteressen. So wächst der Film über sich hinaus - er ist Bandporträt und politischer Dokumentarfilm gleichermaßen.

Und "Shut up & Sing" - den wunderbar absurden Titel haben Kopple und Peck einer Hasstirade gegen die Band entliehen - ist auch eine feministische Variante des Hässlichen Entleins. Man merkt es nur nicht gleich, weil es darum geht, einen inneren Schwan zu finden. Man fragt sich aber manchmal, ob aus den Chicks wirklich die selben Frauen geworden wären, die sich am Ende des Films präsentieren, wäre Barbara Kopple nicht aufgetaucht. Ein bisschen kommt es einem so vor wie die Geschichte damals mit dem Manager - Kopple hat das Potential erkannt und dem Ganzen eine Form gegeben. Das hat gereicht zum Erfolg.

THE DIXIE CHICKS - SHUT UP & SING, USA 2007 - Regie: Cecilia Peck, Barbara Kopple. Kamera: Christine Burrill, Luis Lopez, Seth Gordon, Gary Griffin. Central/Senator, 98 Minuten.

© SZ vom 9.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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