Im Kino: "Die Ludolfs - Der Film":Die Abwracker

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Wo die Krise der Autoindustrie weit weg ist: Bei ihren Fans sind die vier Ludolf-Brüder aus dem Westerwald längst Kult, jetzt kommen die Schrotthändler ins Kino.

Christian Mayer

Es ist der ganz normale Belagerungszustand, draußen vor der Autoverwertung in Dernbach. Ein grauhaariger Kunde ist wegen der Abwrackprämie da, für die er den entscheidenden Stempel benötigt; andere stehen an, weil sie Ersatzteile brauchen, außerdem parken gerade drei Trabbis vor der Tür, deren Besitzer unbedingt ein Souvenir wollen. Ein Fernsehteam von RTL benötigt noch passende Bilder von Deutschlands berühmtester Autoteile-Handlung. Insgesamt warten zwei Dutzend Fans darauf, dass einer der Ludolfs endlich wieder aus dem grünen Gebäude heraustritt und sich den Menschen zuwendet, die Tag für Tag ins nördliche Rheinland-Pfalz fahren, um sich auf besondere Weise berühren zu lassen.

Auch im größten Chaos verlieren sie nie die Nerven: Peter, Uwe und Manfred Ludolf. (Foto: Foto: filmverleih)

Willkommen in Ludolf-Land im Westerwald, einer Enklave der menschlichen Zuversicht, in der die Krise der Autoindustrie weit weg zu sein scheint. Auch Alexander, André und Kevin, drei junge Kfz-Mechaniker aus Andernach am Rhein, suchen die Nähe der vier Brüder, nicht zum ersten Mal sind sie über die A3 gefahren, in den Westerwald. Kevin hat eine Fensterkurbel für einen Fiesta gekauft, er hält sie fest wie eine Reliquie, fünf Euro, fairer Preis. Eine Fensterkurbel von den Ludolfs ist eine Devotionalie, vor allem wenn sie von Uwe Ludolf an der Haustür mit einem strahlenden Lächeln überreicht wird: "Schönen Tag und mach's gut, mein Kleiner!"

So echt hier alles

Alles begann damit, dass ein Redakteur vom SWR einen Film über das Ortsjubiläum von Dernbach machen sollte und vom Bürgermeister der 1000-Einwohner-Gemeinde den Tipp erhielt: Gehen Sie doch mal zu den Ludolfs. Die Fernsehleute waren beeindruckt von der Schrotthandlung, aber noch mehr vom skurrilen Wortwitz der Brüder Uwe, Peter, Günter und Manfred. Bald darauf hatte ein Produzent die Idee, daraus eine ganze Serie zu machen. Alltagsgeschichten mit Anti-Helden in karierten Hemden und blauen Arbeiterhosen, die das genaue Gegenteil sind von hochgezüchteten Superstars, Topmodels und eitlen Dschungel-Bewohnern.

Sie sitzen nun in ihrem halbdunklen Wohn- und Arbeitszimmer, das inzwischen auch als Drehort für eine Art Realitätsfernsehen dient, wie es kein TV-Mensch jemals erfinden könnte. Alles ist echt hier: die geblümten Tapeten aus den siebziger Jahren, der Staub, die alten Fotos und Maskottchen an der Wand. "Wir merken ja auch gar nicht mehr, dass das Fernsehen dabei ist", sagt der dicke Peter, der im Theater einen wunderbaren Falstaff abgeben würde, gerne laut lacht und sich wie seine Brüder den Ruhrpott-Dialekt aus der Kindheit bewahrt hat. Uwe, mit 57 der älteste der Brüder und der Einzige mit einer eigenen Familie, schweigt lieber an diesem Nachmittag, während die anderen ins Plaudern geraten. Auch Günter nickt gerne kurz weg, wenn er nicht gerade das Firmentelefon bedient und die Aufträge dann an seinen Bruder Peter weiterleitet. Peter wiederum versichert, er könne jedes gewünschte Autoteil aus dem Haufen hervorziehen - "fotografisches Gedächtnis".

"Die Ludolfs" sind nun seit drei Jahren ein Quotengarant im Münchner Spartensender DMAX, in dem man vor allem schwitzende Männer mit schnellen Maschinen und zu viel Freizeit erleben kann. Das Erstaunliche an der Doku-Soap ist, dass in den knapp 45-minütigen Folgen eigentlich gar nichts passiert, außer dass die Brüder beieinander sitzen, an Autos herumschrauben und immer mal wieder auf verrückte Ideen kommen. Im Dernbacher Schrottmilieu gibt es keine Gefühlsdramen, keine Gewalt, keine erotischen Verwicklungen, ja nicht einmal die Andeutung von Sex, sieht man von den leicht verblichenen Pin-up-Girls ab, die an der Wand neben der Hebebühne hängen. Irgendwann haben Frauen im Leben der Brüder eine größere Rolle gespielt, aber die Männer reden eher abstrakt und mit kindlicher Bewunderung über sie - immerhin weiß der Zuschauer, dass der in sich gekehrte Günter mal mit einer Frau zusammen war, die ihn betrogen hat, er betäubt seinen Schmerz immer noch mit viel Koffein und Zigaretten, das ist sein Part.

Der Erfolg der Serie beruht darauf, dass die Zuschauer eine Welt erleben, in der es einen starken Zusammenhalt gibt. Draußen vor der Lagerhalle trifft man auf Menschen, die über die Ludolfs in so vertrautem Ton sprechen, als gehörten sie zur Familie. "Das sind normale Leute wie wir, die heben nicht ab", sagt Kevin, der Mechaniker. Und eine Frau um die vierzig, die mit ihrem sonnengebräunten Mann und einem halbwüchsigen Sohn angereist ist, drückt es so aus: "Die würden einen halt nie verarschen."

Auf ihre Weise sind die Brüder inzwischen ziemlich professionell; sie kennen ihre Reize und spielen höchst erfolgreich mit einer gemütlichen Schlichtheit, die von Selbstvertrauen zeugt. "Man sollte sie auf keinen Fall unterschätzen", sagt der Produktionsleiter, der sich mit seinem Team im Nachbarhaus einquartiert hat. In einer Folge der inzwischen auf 78 Teilen angewachsenen Serie sitzt Peter gedankenverloren auf seinem Stuhl, sein Blick verfolgt eine Stubenfliege auf der Plastiktischdecke.

Ein Männertraum wird wahr

So wie die möchte ich auch mal fliegen, sinniert Peter, und dann schwingt er sich und seinen schweren Körper auf und klettert langsam auf einen vier Meter hohen Schrottberg in der chaotischen Lagerhalle, in der angeblich vier Millionen Autoteile ruhen. Später sieht man Peter dann auf einem Sportflugplatz im Westerwald, wie er zum ersten Mal im Leben eine Maschine besteigt und dann aufsteigt in den Himmel. Ein Männertraum wird wahr, die Fans freuen sich mit. "Aber es sind nicht nur Männer, die unsere Sendung sehen", kontert Uwe. "Stimmt", sagt Peter, "die Frauen wollen wissen, warum die Männer so lachen, wenn sie uns ansehen. Und dann bleiben sie eben auch bei uns hängen."

Skeptiker, die anfangs nicht daran glaubten, dass man mit harmlosen Geschichten über vier etwas verwilderte Männer mittleren Alters Erfolg haben kann, sind widerlegt; die Serie war für den Grimme-Preis nominiert, sie gilt als Kult. Und nun gibt es die Ludolfs auch noch im Kino: ein Formatwechsel, der vielleicht etwas gewagt ist, weil nicht jede Miniatur gewinnt, wenn man sie beliebig vergrößert. An diesem Donnerstag startet der Film "Dankeschön für Italien", gerade war Premiere in einem leergeräumten Reifenlager im Nachbarort, 1500 Leute passten da rein, aber das ist gar nichts gegen die Zwanzigtausend, die in Dernbach beim Tag der offenen Tür vorbeischauten und die A3 komplett lahmlegten.

Im Kinofilm machen sich die Ludolfs zum ersten Mal auf ins Ausland, sie fahren über die Alpen nach Venedig, weil ihre Eltern immer mal verreisen wollten, aber nie konnten. "Die haben das letzte Hemd für uns gegeben", sagt Peter feierlich. Jetzt rufen alle durcheinander, wie immer, wenn es um den zu früh verstorbenen Vater geht und um die geliebte Mutter, die von den Brüdern im Haus gepflegt wurde, zwei Jahre lang, bis zu ihrem Tod. "Das war für uns keine Last, es war selbstverständlich", sagt Manni, mit 46 Jahren der Jüngste und Beweglichste. "Ich sprech' oft mit den Eltern, wenn ich nicht weiter weiß", sagt Günter. Uwe nickt. Im Himmel wird man sich wiedersehen, da sind sich die Ludolfs ganz sicher. Auch solche Glaubensbekenntnisse kommen an, das Publikum liebt die Brüder ohnehin für ihre Herzensgüte.

Die Fans, die bei den Ludolfs nur "unsere Freunde" heißen, sind immer dabei, es sind treue Zuschauer. Sie erleben eine angenehm konfliktarme, allerdings auch sehr bescheidene Wirklichkeit, wenn sie nach Dernbach schalten. Eine Welt ohne Gemeinheit, ohne Häme, ohne soziale Kälte. Wenn sich die Brüder mal streiten, rennt der Manni eben in den Geräteschuppen, um statt seiner Brüder seine Gartenzwerge zu beschimpfen, eine interessante Methode, die er sich aus einem amerikanischen Film abgeschaut hat.

"Wir sind Schrauben- und Schrotthändler, das ist unser Leben, das macht Spaß", sagt Peter. "Im Grunde sind wir Kinder geblieben. Ist das nicht schön?"

© SZ vom 08.04.2009/irup - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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