Im Gespräch: Beatsteaks:Dass es euch noch gibt

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Sie gelten als die netten Punkrocker: Ein Gespräch mit den "Beatsteaks" über Rentenziele, Knausern und ihr neues Album "Boombox".

Toni Lukic

Sie betonen, dass der Chart-Erfolg sie nicht wirklich interessiere. Die Beatsteaks aus Berlin sagen dazu : "Wir machen unsere Pladde feddich, und dann kicken wir, watt rumkommt.". Nach drei Jahren Pause, ist "Boombox", die neue "Pladde feddich" geworden. Und dabei rumgekommen ist die Spitzenposition der deutschen Albumcharts. Derzeit ist die beste "Live-Band Deutschlands", wie die Beatsteaks genannt werden, auf Tour. Heimelige Atmosphäre kam in der riesigen Olympiahalle zu München indes nicht auf, eher schon im Interview mit den lockeren Bandmitgliedern Peter Bauman (Gitarre) und Thomas Götz (Schlagzeug).

Peter (ganz links): Ich empfinde es ja schon als spießig, dass wir eine Rentenversicherung haben. Das muss als Vorsorge reichen. Thomas (ganz rechts): Das "alte Eisen" ist nicht mehr weit. (Foto: Pressefoto / oh)

sueddeutsche.de: Vier Jahre nach dem letzten Studioalbum ist "Boombox" auf Platz eins der Albumcharts gestürmt. Ist es nach so langer Pause leichter, eine Platte zu verkaufen, weil die Vorfreude der Fans dann größer ist?

Thomas Götz: Die Gefahr ist doch eher, dass es kein Schwein mehr interessiert. Ruhm dauert doch immer nur 15 Minuten. Wenn man nicht dran bleibt, ist man weg vom Fenster - dachte ich. Ich war überrascht, dass es eher so war, als ob wir nie weggewesen wären.

sueddeutsche.de: Ihr habt die Fans ja auch heiß gemacht, indem ihr die Noten des Milk & Honey-Songs vor dem Release veröffentlicht und dazu aufgerufen habt, euch die daraus entstandenen Lieder zu schicken. Wie war das Feedback?

Peter Baumann: Super. Wir hätten nicht damit gerechnet, dass da über 100 Einsendungen kommen. Dazu muss man als Fan erstens Noten lesen können, zweitens irgendeine Art von Instrument beherrschen, drittens alles aufnehmen können und es viertens noch hochladen. Das nimmt ja mindestens den ganzen Tag in Anspruch. Da waren wir doch ziemlich gebauchpinselt.

sueddeutsche.de: Könnt Ihr selbst eigentlich Noten lesen?

Peter: Ich nicht, Thomas wohl schon.

Thomas (lacht): I pretend. Um Rockmusik zu machen, muss man keine Noten lesen können. Aber wir waren wirklich überrascht über die vielen Versionen des Songtitels. Die beiden, die uns am besten gefielen, haben wir auf die B-Seite der Single gepackt.

sueddeutsche.de: Warum habt ihr das Album nicht wie üblich im Studio sondern im Proberaum aufgenommen, hat euch dort das Marilyn-Monroe-Poster inspiriert?

Peter: Auch. Das war eher eine Reflexreaktion. Wir waren erst im Proberaum, haben unsere Demos gemacht und sind dann ins Studio gegangen, um es richtig aufzunehmen, haben dann aber schnell gemerkt, dass uns das nicht so gut gefallen hat wie das, was wir im Proberaum aufgenommen hatten. Dann haben wir entschieden, das ganze Album komplett im Proberaum aufzunehmen. Es war ein Wagnis, aber da wir wussten, dass Nick Launay die Platte mischen wird, hat sich daraus eine gute Balance entwickelt.

sueddeutsche.de: Wie ist es zur Zusammenarbeit mit Nick Launay gekommen, der ja schon Schwergewichte wie die "Yeah Yeah Yeahs" und "Arcade Fire" produziert hat?

Thomas: Er hat Platten produziert, die wir alle super fanden. Weshalb es einfach war, sich auf ihn zu einigen. Wir hätten aber nicht gedacht, dass es so einfach wird, ihn auch zu kriegen. Arnim und ich sind dann nach L.A. geflogen, waren aber so spät dran, dass wir uns aufteilen mussten. Die anderen drei haben schon Interviews für die Platte gegeben, während wir noch gemixt haben.

sueddeutsche.de: Bassist Thorsten hat, wie man hört, noch mal Bassunterricht für die neue Platte genommen. War das nötig?

Thomas: Behauptet er. Aber das ist eine Schutzbehauptung, ich habe davon nichts gehört (lacht).

Echo-Verleihung 2011
:Siegerfäuste

Lena, Unheilig, Ich + Ich: Alle keine Überraschungen. Bei den Echos also nichts Neues. Da muss man ja dann fast zwangsläufig an der Posen-Schraube drehen. Die Bilder.

sueddeutsche.de: Ihr anderen habt aber auf eure Fachkenntnisse vertraut?

Thomas: Also, ich habe ja schon heimlich geübt. Ich weiß nicht, wie es dir ging, Peter?

Peter: Ich nicht. Mir fliegt alles zu (lacht).

Thomas: Peter und die anderen müssen nicht üben, während Torsten und ich die Nächte im Proberaum geschwitzt haben.

sueddeutsche.de: Am Ende ist die Platte nur eine gute halbe Stunde lang geworden. Dürfen gute Rockplatten nicht länger sein?

Peter: Das hat nichts mit der Dauer zu tun. Wenn man das Gefühl hat, dass man etwas gesagt hat, dann ist es gut. Einfach gesagt, konnten wir zeitlich nicht mehr Lieder ausarbeiten. Das ist schon immer die letzte Eisenbahn, wenn wir fertig werden.

sueddeutsche.de: Ihr hattet doch drei Jahre Zeit.

Peter: An der Platte haben wir aber nur ein dreiviertel Jahr gearbeitet. Vorher haben wir zwei Jahre lang Pause gemacht.

sueddeutsche.de: War die Pause so nötig?

Thomas: Sie war verdient (lacht). Hochverdient.

sueddeutsche.de: Das Album ist poppiger als die Vorgänger. Durftet ihr zu Zeiten, als ihr das Label "Punkrockband" vor euch hergetragen habt, noch keine Popnummern bringen? Den Sound, so heißt es, mochtet ihr ja schon immer.

Thomas: Wir haben das Album "Smack Smash" gemacht, was sehr erfolgreich war. Die Platte "Limbo Messiah" war eine Reaktion auf "Smack Smash", in der wir gesagt haben: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Eine sehr schnelle Platte mit eben dieser bestimmten Attitüde. Genauso ist jetzt, ähm, äh, wie heißt die Platte? (beide lachen) "Boombox" eine Reaktion auf "Limbo Messiah". Die Platte sollte entspannter daherkommen und bessere Laune verbreiten als "Limbo Messiah", die eher negativer war.

sueddeutsche.de: Ihr geltet als nette Punkrocker von nebenan, als Everybody's-Darling-Band. Ihr kommt mit jeder Band aus, die Arbeit mit Warner klappt reibungslos, eure Fans lieben euch, fast egal, was ihr macht. Seid ihr auch mal böse, wie es sich für Punkrocker gehört?

Peter: Oh doch. Wir sind mitnichten Everybody's Darling. Offensichtlich können sich viele Leute mit uns identifizieren. Wir hatten keinen großen Plan, wie wir eine erfolgreiche Band werden. Es ist einfach so passiert. Je länger der Erfolg anhält, desto mehr kann man darauf vertrauen, dass man sich nicht verstellen muss. Aber es stimmt schon, wir hören das oft, geben uns aber keine große Mühe, freundlich rüberzukommen oder gute Laune vorzuspielen. Frag die Leute, mit denen wir auf Tour sind. Es gibt oft genug Querelen.

Thomas: Als wir Moses (Produzent Moses Schneider, Anm. d. Red.) kennen gelernt haben und bei einem der ersten Gespräche erzählt haben, welche Band wir scheiße finden, meinte er nur: "Jungs, dissen ist out." Öffentlich rumpöbelm war vielleicht 1977 absolut notwendig, heute braucht man das nicht mehr.

sueddeutsche.de: Ihr seid den klassischen Bandweg gegangen. Bemitleidet Ihr die heutigen Newcomer?

Peter: Gar nicht. Die haben es nur ganz anders als wir. Die Möglichkeiten mit dem Internet sind andere, der Stellenwert einer Plattenfirma hat sich verändert. Keiner weiß, wohin es geht, aber bemitleiden muss ich die nicht.

Thomas: Wir haben auch einen anderen Musikmarkt erlebt als die Beatles. Aber früher war nicht alles besser, und in Zukunft wird nicht alles schlechter.

sueddeutsche.de: Ihr seid mittlerweile schon die Veteranen im Business...

(beide lachen)

Peter: Jetzt hat er es gesagt.

Thomas: Das "alte Eisen" ist nicht mehr weit.

Peter: "Dass es euch noch gibt."

Thomas: Erstaunlich.

sueddeutsche.de: ...denkt man irgendwann an Rente?

Peter: Als ich 22 war, war alles so, wie es ist. Jetzt macht man sich Gedanken: Genieße, solange es geht, das ist nämlich das einzige, was man hat. Voraussehen kann man ja sowieso nichts.

sueddeutsche.de: Ein Rentnerziel habt ihr also nicht? Mit 70 am Strand liegen, den Cocktail auf dem Bauch?

Peter: Fast. Ich sitze auf meiner Ranch im Schaukelstuhl mit dem Whisky in der Hand.

Thomas: Ich glaube, unsere Phantasien überschneiden sich nur beim Whiskyglas.

Peter (lacht): Ich trinke aber eigentlich gar keinen Whisky.

Thomas (lacht): Ich auch nicht.

Peter: Mal im Ernst. Ich empfinde es ja schon als spießig, dass wir eine Rentenversicherung haben. Das muss als Vorsorge reichen.

sueddeutsche.de: Torsten hat gesagt, dass die Münchner "ein bisschen mehr Zug zum Tor an den Tag legen könnten", weil das Konzert als eines der wenigen bisher noch nicht ausverkauft war. Was haben die Münchner gegen euch?

Peter: Überhaupt nichts. München-Konzerte waren immer super. Die Olympiahalle zu füllen, muss aber auch erst mal gepackt werden.

Thomas: Vielleicht hat er die Fußballer gemeint. Vielleicht gibt es zu viel Zug zum eigenen Tor.

sueddeutsche.de: Für einen Schwaben wie dich ist es zurzeit doch auch nicht gerade einfach.

Thomas: Was soll das denn heißen?

sueddeutsche.de: Der VfB Stuttgart kämpft derzeit gegen den Abstieg.

Thomas: Wir investieren ja auch nur zwei, drei Pfennig in die Mannschaft. Der Rest bleibt natürlich beim Schwaben auf der Bank.

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