Ideologie:In großer Tradition

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Viele amerikanische Konservative der alten Schule können den Außenseiter Donald Trump nicht ausstehen - ideologisch ganz so fremd, wie sie tun, ist er ihnen aber nicht. Auch Trump steht in einer konservativen Tradition.

Von Lukas Latz

Es war eine letzte Hoffnung so mancher Demokraten in Amerika - die Partei der Republikaner rebelliert gegen das Wahlmännersystem und verhindert in letzter Minute, dass der Außenseiter Donald Trump zum Präsidenten wird. So kam es am Montag nicht. Und so kann man die Frage noch viel direkter stellen, ob Trump denn wirklich so ein Außenseiter ist, ganz ohne eine Ideologie, die zu den Konservativen passt.

Das unterteilte sich bisher in drei Lager. Da gibt es die sogenannten Paläokonservativen, die sich im Wertkonservatismus und Antikommunismus des frühen 20. Jahrhunderts gründeten. Anfang der Sechzigerjahre kamen die Neonkonservativen dazu, die eher idealistisch geprägt waren. Und dann sind da noch die populistischen Tea-Party-Anhänger der letzen Jahre.

Und Trump? Ein Weltbild hat er. Um das aufzubereiten, gründete in diesem Frühjahr ein anonymes Kollektiv den Blog Journal of American Greatness. Der Blog erreichte schnell hohe Klickzahlen, weil er über die Kanäle von Breitbart News beworben wurde. Dann verschwand der Blog. Es blieb nur eine kurze, kryptische Notiz: "Das Journal of American Greatness wurde als Witz für Eingeweihte gestartet. Dann wuchs unser Publikum über alle Erwartungen. Es hörte auch auf, ein Witz zu sein. Daher hat es keinen Sinn, es in der derzeitigen Form fortzuführen."

Für die Rechten alter Schule gibt es einen Feind: die Verwaltungselite

Die Inspiration für das Journal sei ein "tiefes Unbehagen an dem Denken, das den politischen Diskurs beherrscht, eine ideologische Form, in der die Wirklichkeit amerikanischen Lebens zu Unsinn wird. Die unerwartete Anerkennung, die wir erhielten, macht jedoch klar, dass viele andere den Drang verspürten, aus der intellektuellen Stagnation auszubrechen, die sich der Konservatismus selbst auferlegt hat."

Die Zeitung The Guardian machte Quellen ausfindig, die bezeugen können, dass die Blogger vom Journal of American Greatness zum Dunstkreis des Zentralorgans der Konservativen National Review gehören. Ihre wichtigste intellektuelle Referenz soll der 2005 verstorbene Autor Samuel T. Francis sein. Der war Berater in den Wahlkämpfen des Paläokonservativen Pat Buchanan, der bei den Vorwahlen gegen den amtierenden US-Präsidenten George Bush immerhin drei Millionen Stimmen holte.

Vielen Konservativen wie etwa dem einflussreichen Talk-Radio-Moderator Rush Limbaugh gilt Francis' publizistisches Werk als Vorwegnahme des von Trump gefärbten Konservatismus. Francis' Hauptwerk "Leviathan und seine Feinde" ist in den USA erst posthum zu Anfang des Jahres 2016 erschienen. Über 700 Seiten versucht sich Francis an einer Systematisierung und Akademisierung seines Weltbildes. Dabei versucht er, die Theorie des "managerial regime" weiterzuschreiben, die James Burnham, Professor, ehemaliger Trotzkist und Autor des National Review, in den Vierzigerjahren entwickelte.

Dieses "managerial regime" lässt sich am besten übersetzen mit Verwaltungsregime. Dem Anschein nach synonym verwendet er den Begriff "managerial elite", Verwaltungselite. Die ist für Francis der Hauptfeind der Konservativen, der Leviathan der Gegenwart. Wer genau zu diesem Verwaltungsregime gehört, ist schwer einzugrenzen. Es sind alle staatlichen und auch nicht staatlichen Organisationsformen, die sich mit dem Heraufkommen der modernen Massengesellschaft herausgebildet haben. In erster Linie gemeint sind Technokraten, juristisch und soziologisch geschulte Planungsstäbe der Regierung. Kein Wunder also, dass die rund vier Millionen amerikanischen Staatsbeamten gegen Trump waren. Francis zählt dazu aber auch Medien und Intellektuelle.

Hinter den Schlagworten und Kampfbegriffen verbirgt sich ein klares Weltbild

Es ist beängstigend, welche Macht er der Verwaltungselite unterstellt. Er betrachtet diese "herrschende Minderheit" im Grunde als eine verschworene Bande von Kapitalverbrechern, die die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen forme und ständig zu manipulieren wisse. Der Verwaltungselite sei an einer Beschleunigung von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen gelegen. Deswegen initiiere sie diese Prozesse bewusst selbst. Soziale Bewegungen wie die Bürgerrechtsbewegung der Sechzigerjahre stecken nach Francis' Meinung zwar nicht mit der Verwaltungselite unter einer Decke. Dennoch spielen sie ihr in die Hände. Denn sie machen auf Probleme aufmerksam, für deren Lösung die Verwaltungselite wiederum neue Gesetze und Institutionen schaffen müsse. So vergrößere die Verwaltungselite ihre Macht.

Eine außerordentliche Hochzeit hätte die Verwaltungselite während der Regierungszeiten von John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson gehabt. Francis argumentiert, dass sie sich damals unter anderem die Aufgabe der Verbrechensbekämpfung angeeignet hätte. Sie tue dies, indem sie soziale Ursachen für Kriminalität ausfindig mache und zu bekämpfen versuche. Durch die Erfindung des Begriffes "soziale Ursachen von Kriminalität" entmachte die Verwaltungselite quasi die lokalen Ermittlungsbehörden. Ein weiteres Mittel der sozialen Manipulation sei Migration. Denn es müssten wiederum Gesetze und Behörden geschaffen werden, die die Migration verwalten. Die Mehrheitsgesellschaft, die weiße Mittel- und Unterschicht, werde dadurch enteignet und geschwächt.

Francis kritisiert auch Angriffskriege wie in Vietnam. Dieser diene dazu, dem Verwaltungsregime eine globale Dimension zu geben und die Expertise der Verwaltungselite für die ganze Welt bedeutsam zu machen.

Dadurch dass die Verwaltungselite ständig eine Beschleunigung gesellschaftlicher Prozesse betreibt, macht sie ihre eigene Herrschaft aber auch immer wieder angreifbar. Zwischen Verwaltungselite und der weißen Mehrheitsgesellschaft formiere sich angeblich eine große gesellschaftliche Konfliktlinie. Durch Förderung von Migration und gezielte Wirtschaftspolitik würde die Verwaltungselite das weiße Amerika ökonomisch enteignen. Durch die Propagierung von Hedonismus, Kosmopolitismus und Pluralismus würde sie es aber auch kulturell enteignen.

Wo die Tea-Party-Bewegung und der Paläokonservatismus etwa gegen "Big Government" agitieren würden, also gegen eine Regierung, die zu viele Steuern erhebt und den Menschen angeblich eine hedonistische, liberale Lebensweise aufzwingt, hat Francis' Feindbild einen etwas anderen Zuschnitt. Er agitiert vor allem gegen Experten, gegen Journalisten, gegen Manager und gegen andere Leute, die auf Grundlage ihrer Bildung Geld verdienen. Jemand wie Trump würde für Francis nicht zur Elite gehören, die im Fadenkreuz steht. Denn als Besitzer von Grund und Boden ist er Teil der "bourgeoisen Sub-Elite", die von der Verwaltungselite bedroht wird.

Es stimmt, dass Francis in seinem Werk die besondere Form des Konservatismus, den Trump in seinem Wahlkampf geprägt hat, in vielerlei Hinsicht vorweggenommen hat. Sein Buch systematisiert viele der Schlagworte, Kampfrufe und Phantasmen, die Trump in seinem Wahlkampf benutzt hat, zu einem umfassenden Weltbild. Die zahlreichen Verweise auf konservative Intellektuelle wie den Soziologen Daniel Bell zeigen außerdem, dass deswegen auch Trump in einer konservativen Tradition steht. Nein, Donald Trump ist mit seinen Hassreden gegen Muslime, Journalisten und andere Intellektuelle kein ideologischer Fremdkörper in seiner Partei. Wer Francis liest, dem kommt Trump weniger inkohärent und widersprüchlich vor. Zumindest ein bisschen.

© SZ vom 21.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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