Hörspiel:Die Kinder von Kottbusser Tor

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Die Kreuzberger Hörspielautorin Katrin Moll hat mit "Kids" sieben Mädchen ins Radio gebracht. Sie erzählen von Ehre und Sprache und wie es ist, gleichzeitig arabisch und deutsch zu sein.

Von Catrin Lorch

Sie hießen Sinem, Adyan, Hanan und Jamila, ihre Familien stammen aus Ländern wie Ägypten, dem Irak und der Türkei: Kreuzberger Jugendliche im Alter von 14 oder 15 Jahren. Die Hörspielautorin Katrin Moll lernte sie kennen, als sie für eine Theaterproduktion Sprecher castete. Die Mädchen sollten Texte von Jugendlichen aus Gaza vortragen. Interessanter als ihre Stimmen fand Moll aber bald, was die Schülerinnen zu erzählen hatten. Es waren nicht die Exotik ihrer Familien oder ihre Herkunfts- und Fluchtgeschichten, die sie interessierte, sondern der Alltag, das, was die Mädchen miteinander beredeten und diskutierten. Hanan, Sinem, Jamila und Adyan ließen sich auf das Gespräch mit der Rundfunkmacherin ein, das Tonband lief mit. Nach einem Jahr sichtete Katrin Moll das Material, wählte aus knapp hundert Stunden aus und schnitt für das Deutschlandradio Kultur und den SWR daraus "Kids Berlin Kreuzberg. 7 Mädchen. 365 Tage" zusammen. Eine Radioserie in acht Folgen, die das Format der Doku-Soap - eigentlich eine Domäne des Fernsehens - entscheidend bereicherte:

An Orten wie der Schule oder dem Döner im Orienteck am Kottbusser Tor entspann sich eine Diskussion über Ehre, wie nebenbei. Oder über Heimat. Familie. Sprache. Und wovon man träumt. Wie es sich anfühlt, wenn man mit Bestimmtheit sagen kann, dass man deutsch ist und arabisch. Dass man immer wieder zuhören wollte, lag aber vor allem an diesem Sound. An dem entspannten, fröhlichen Tonfall. Betonungen, Akzent, kleine Floskeln und engagierte Verdrehungen formten einen Subtext, in dem sich eben auch alles das verhandeln ließ. Weil der Sound ernsthaft genug war, höflich genug - aber auch schnell präzise und deutlich werden konnte. (Unter www.kidsberlinkreuzberg.de sind viele der Gespräche zu hören.) Doch obwohl acht Folgen und ein zusätzliches Hörspiel entstanden, ist viel geschnitten worden. Nur ein Bruchteil des Materials wurde gesendet. Für das Großformat hat Katrin Moll die Audiofiles noch einmal abgehört und Monologe und ein Gespräch ausgewählt, die damals nicht verwendet wurden. Und es kann sein, dass "Kids" noch weiter geht, auch wenn Adyan und Hanan und Dalia jetzt keine Kids mehr sind. Katrin Moll trifft die Mädchen weiterhin, sie arbeitet an einem Langzeitprojekt. Vier von ihnen machen in diesem Jahr das Abitur. Bei einer Podiumsdiskussion in Berlin, bei der sie jüngst gemeinsam auftraten, haben sie übrigens betont, dass "Kids" für sie zwar abbildet, wie sie als Teenager waren - mit allen Peinlichkeiten. Dass sie aber rückblickend auch schätzen, dass die Gespräche im Beisein eines Mikrofons anders waren. Dass "Kids" ihnen auch geholfen hat, anders über die Dinge zu sprechen. Sich zu erklären. Eine Perspektive auf sich selbst zu entwickeln.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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