Hörenswert:Mechanisch

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Balbina grübelt und singt in der Milla

Von Christian Jooss-Bernau

Niedlich, dieses sanft elektronische Pockern in das sich auch die Tonwahl eines Telefons mogelt. Blubberblasenwasserbeat. Sanftes Wellenkräuseln auch auf Balbinas Stimme. Und dann Pianowogen. Eine durchwegs gefällige Popsound-Oberfläche - gar nicht so weit von dem, was sonst im deutschen Pop zu hören ist. Doch der Text kommt einem mädchenhaft, um dann recht seltsam zu werden: "Goldfisch, du und ich, wir haben was gemeinsam. Wir beide sind einfach vergesslich." Und dann merkt Balbina noch an: "Nur ich glänz nicht so schön wie Du."

Im aktuellen Pop-Geschehen dieses Landes ist Balbina eine der eigenwilligeren Figuren, die sich nicht vergleichen lassen will. "Über das Grübeln" heißt ihr zweites Album. Genau das ist es auch: ein Konzeptalbum mit Intro und Schluss, das zwölf Songideen daraus zieht, dass, wie, warum, worüber Balbina grübelt. Balbina ist eine Erscheinung, ihre Bühnenkleider werden von der Designerin Susann Bosslau entworfen. Immer helfen sie, das Fremde auszustellen, wie ein Schild. "Das Gewand schirmt alles ab", singt sie durchwegs zufrieden. Ihre Kleidung schmiegt sich nicht an den Körper, wie Balbina sich nicht in die Welt kuschelt. Steif steht sie da in ihren sperrigen Stofffalten. Balbina hat etwas Mechanisches. Auf altmodische Weise. Ein wenig wie Hoffmanns Olympia, diese überirdisch Schöne, die doch ein Automat ist. Wer hier nur lacht, spürt das Unheimliche nicht.

Als Kleinkind kam sie von Warschau nach Berlin. Als Jugendliche hat sie sich in der Hip-Hop-Szene um das Royal-Bunker-Label herumgetrieben. Biztram produzierte ihr Debüt-Album. Herbert Grönemeyer nahm sie im Vorprogramm mit auf Tournee. Balbina macht Popmusik von Außenseitern für Außenseiter, aber keine Nischenkunst. Auf der Metaebene ihrer eigenen, einsamen Wortlogik ist es im Kern doch genau wieder das, was Popmusik bedeutsam macht: die Rebellion der Unverstandenen.

Rapper Justus Jonas piesackt die Sängerin: "Du bist gut, Hut ab, im Schlechtsein." "Du kränkst mich, und redest mir Komplexe ein," entgegnet die, ist dabei auf so schmerzlich kalte Art empört, dass nichts peinlich persönlich ist, sondern alles formales Künstlerdrama.

Balbina, Mittwoch, 14. Oktober, 21 Uhr, Milla, Holzstraße 28

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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