Das Schild ist so groß, dass es vermutlich sogar die Esten drüben in Tallinn bewundern können: "Palm Beach, Finland" steht in grellen Neonfarbenbuchstaben am Meer. Eine Verheißung wie aus dem amerikanischen Kabelfernsehen der Achtzigerjahre. Und das war schließlich auch die Idee: "Baywatch" und "Miami Vice" sind die Paten für das neue Feriendomizil am finnischen Provinzstrand. Der Investor hat Palmen aufstellen lassen, Liegestühle, Strandhäuschen und einen Surfbrettverleih. Gut, die Palmen sind aus Plastik, das Wasser ist saukalt und surfen kann man in dieser Ecke der Welt auch nicht vernünftig. Aber von solchen Lappalien muss man sich nun wirklich nicht abschrecken lassen, wenn es um den großen Traum geht, aus Finnland das neue Florida zu machen. Was im Zuge der Touristenakquise aber tatsächlich etwas störend sein könnte, ist der Mann mit dem dünnen Schnauzbart und dem gebrochenen Genick. Denn hierbei, so diagnostiziert es die lokale Polizei, handelt es sich eindeutig um einen Todesfall aus der Kategorie Totschlag.
Der finnische Schriftsteller Antti Tuomainen erzählt in seinem siebten Roman "Palm Beach, Finland" vom Aufeinanderprallen von Größenwahn und Realität, und von der merkwürdigen Kettenreaktion, die dieser Zusammenstoß auslösen kann. Das ist der Stoff, aus dem die Krimis des 48-Jährigen meistens gestrickt sind, wobei er sich in seinem düster-ironischen Ton deutlich von den blutigen Kino-Eskapaden der Coen-Brüder hat inspirieren lassen. Seine Storys handeln von Menschen mit großen Träumen und kleinem Verstand, oder auch umgekehrt, und sie führen immer zu bizarrer Situationskomik.
Im neuen Buch will also ein verrückter Investor die halbe finnische Provinz zum amerikanischen Sonnenstrand umbauen. Weshalb er unbedingt eine Villa mit Strandzugang erwerben will, an der später zum Beispiel der, nun ja, Yachthafen stehen könnte. Die Besitzerin denkt aber nicht daran, zu verkaufen. Also schickt der Investor zwei Trottel aus seinem Team los, um die Frau mürbe zu machen. Dabei kommt, und das ist wirklich ein Versehen, der an dieser Sache vollkommen unbeteiligte Schnauzbartträger ums Leben, was wiederum die Polizei auf den Plan ruft. Die Kriminologen aus Helsinki schicken ihren besten Undercover-Agenten zur neuen Ferienanlage, um den Fall aufzuklären. Der ist allerdings gerade nicht in Bestform, weil sein 40. Geburtstag ins Haus steht, was ihn zu einer deprimierenden Lebenszwischenbilanz bringt.
Als "Helsinki Noir" hat die finnische Presse das Werk von Antti Tuomainen beschrieben. Und tatsächlich zählt Tuomainen den Noir-König Raymond Chandler zu seinen Lieblingsautoren, bewundert dessen Desillusionierungsroman "Der lange Abschied", der den Krimi endgültig zum Gesellschaftsroman machte. Aber der Finne packt seine unterhaltsame Episodengeschichte, die abwechselnd aus der Perspektive der verschiedenen Charaktere erzählt wird, nicht in den ernsten Stakkatoton Chandlers.
Stattdessen wählt er für die Beschreibung dieser blutigen Provinzposse einen Stil, den man "Scandinavian Comic Relief" nennen könnte und beweist in dieser humoristischen Analyse finnischer Neurosen eine bewundernswerte Menschenkenntnis.