Harald Schmidt in Stuttgart:Die große Bühne für sich allein

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(Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Mal wieder da: Harald Schmidt mit einer "Show der ehrlichen Worte" am Schauspiel Stuttgart.

Von Adrienne Braun

Ist er auf seine alten Tage plötzlich bescheiden geworden? Selbst bei schlechter Quote schalteten Harald Schmidts Sat-1-Show, die bis 2003 lief, mehr als eine Million Zuschauer ein. Nun steht der Entertainer im Stuttgarter Schauspielhaus vor nicht mal 700 Leuten - und jubiliert. Ziel erreicht. 41 Jahre habe er auf diesen Moment hingearbeitet: Endlich hat Harald Schmidt die Stuttgarter Bühne ganz für sich allein. "Keine ... wie heißt das ... Kollegen", sagt er triumphierend, "nichts."

Schon häufig hat es Harald Schmidt nach Stuttgart gezogen, wo er einst auf die Schauspielschule ging, aber nicht zu den Besten gehörte. Er musste erst Fernsehkarriere machen, um am Schauspielhaus landen zu können. Inzwischen hat er hier Shakespeare und bei René Pollesch gespielt - und blieb doch immer Schmidt, der zwinkernde Schlacks. Der darf er nun ganz offiziell sein, selbst wenn er mitten im Bühnenbild von Horváths "Italienischer Nacht" steht und blödelt. Der Intendant Burkhard Kosminski hat ihn engagiert für "Echt? Schmidt? Die Show der ehrlichen Worte".

Sechs Mal erwartet das Publikum jetzt ein "als Dialog getarnter Frontalunterricht", bei dem Harald Schmidt eigentlich über Klimapaket, künstliche Intelligenz und "das gute alte Waldsterben" sprechen will, dann aber doch von der Schulzeit in Nürtingen zu Henry Purcell jagt, von Ritualen im TV-Betrieb zu Heiko Maas -"Bekannt? Der Kleine von Natalia Wörner". Schmidt schwäbelt, parodiert Kramp-Karrenbauers Saarländisch und Cem Özdemirs Augenklimpern. Das Motto: "Wenn Sie die Leute mitnehmen, ist wurscht, wohin".

Selbst wenn Harald Schmidt sich den Zwischenapplaus verbittet - "Das können Sie auf Kabarettfestivals machen" -, ist es Comedy im besten Sinne. Hier ein Happen Politik, dort Anekdoten aus dem Alltag. Dann wieder schmettert Harald Schmidt Play-back den Operetten-Ohrwurm "Dein ist mein ganzes Herz", schließlich sind wir im hehren Theater und nicht im Privatfernsehen. Auch der Sidekick machte die erste Live-Show kulturlastig: Cornelius Meister schaute vorbei. Der Generalmusikdirektor der Stuttgarter Oper bot Harald Schmidt nicht nur schlagfertig Paroli, sondern übernahm auch souverän die Rolle des Zirkuspferdchens und stellte sein absolutes Gehör unter Beweis. Ob Fis, As oder verminderte Quinte - der smarte Dirigent erkennt jeden Ton, während Harald Schmidt die Pianistenkarriere aufgeben musste: "Elfenbeinallergie".

"Ich weiß, dass ich gut bin", sagte Harald Schmidt einmal - und das muss man ihm lassen: Er kann nicht nur witzig sein, er besitzt auch ein hervorragendes Gespür für die richtigen Tempi und verwebt und variiert seine Themen und Motive gekonnt. Deshalb wird diese "Show der ehrlichen Worte" dem Schauspiel Stuttgart einen großen Publikumserfolg bescheren. Harald Schmidt mag sich bei Shakespeare und Pollesch wacker geschlagen haben, bei allen schauspielerischen Ambitionen liegt seine wahre Stärke in der Stand-up-Comedy. Mit der hat er sich die große Theaterbühne definitiv verdient - sogar allein.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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