Hamed Abdel-Samad:Verschwunden in Kairo

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Hamed Abdel-Samad wurde im vergangenen Juni von Islamisten für vogelfrei erklärt. (Foto: Stephan Rumpf)

Seiner Ansicht nach hätten die Muslimbrüder den Zeitgeist nicht verstanden. Provokationen wie diese könnten zur Entführung des deutsch-ägyptischen Schriftsteller Hamed Abdel-Samad geführt haben. Noch wird er vermisst.

Der deutsch-ägyptische Schriftsteller Hamed Abdel-Samad soll Gerüchten zufolge in Kairo entführt worden sein. Die Bundesregierung zeigte sich am Montag alarmiert und rief die ägyptischen Behörden auf, den Verbleib Abdel-Samads so schnell wie möglich aufzuklären. Die deutsche Botschaft in Kairo habe keine Bestätigung einer Verschleppung, allerdings habe der deutsche Botschafter Kontakt zum Kairoer Außenamt aufgenommen und um Aufklärung gebeten. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes sei eingeschaltet worden, teilte Martin Schäfer, ein Sprecher von Bundesaußenminister Guido Westerwelle, in Berlin mit.

Auslöser für die Besorgnis ist ein Bericht des ägyptischen Nachrichtenportal "youm7", das angab, Abdel-Samads Bruder Mahmud habe sich an das Medium gewandt, weil er seit Sonntag jeden Kontakt zu seinem Bruder verloren habe. Demnach verlor sich die Spur von Abdel-Samad am Sonntagnachmittag in der Nähe des Al-Ashar-Parks in Kairo. Vorher soll er seinem Bruder am Telefon berichtet haben, er fühle sich verfolgt. Für Beunruhigung sorgte auch, dass sich der gebürtige Ägypter Abdel-Samad vor seinem Verschwinden an die deutsche Botschaft in Kairo gewandt hatte. Dabei sei es um Sicherheitsfragen gegangen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes.

Der Schriftsteller, der mit der satirischen ARD-Sendung "Deutschland-Safari" an der Seite des Publizisten Henryk M. Broder 2010 auch landesweit bekannt wurde, behauptet von sich selbst, "vom Islam zum Wissen konvertiert" zu sein. In seinen Veröffentlichungen greift er die Ideologie des politischen Islams an und tritt für eine moderne Interpretation der Religion ein. Zu seinen Veröffentlichungen zählen Sachbücher zum Islam und zum arabischen Frühling, den er für einen Glücksfall der Demokratie hält. Eines trägt den Titel "Der Untergang der islamischen Welt". Abdel-Samad hatte bei einer Veranstaltung im vergangenen Juni in Kairo über "religiösen Faschismus" gesprochen. Daraufhin erklärten ihn zwei bekannte ägyptische Salafisten-Prediger für "vogelfrei".

In einem Gastbeitrag für den Spiegel schrieb Abdel-Samad nach dem Militärputsch in Kairo Anfang Juli dieses Jahres, dass er den Sturz des ägyptischen Präsidenten Mursi durch die Armee befürworte und für "alternativlos" halte, da Mursi zwar demokratisch gewählt und auf legalem Wege an die Macht gekommen sei, doch gebe es "einen bedeutenden Unterschied zwischen legal und legitim". Für ihn sei Mursi kein legitimer Herrscher mehr. "Denn kaum wurde er gewählt, brach er alle seine Versprechen und wandte sich vom demokratischen Regelwerk ab." In diesem Essay steht auch die Behauptung, dass die "Muslimbrüder den Zeitgeist nicht verstanden haben. Sie konnten nicht begreifen, dass sie im Zeitalter der globalen Kommunikation keine neue Diktatur aufbauen können."

Sein Bruder fürchtet, wegen solcher expliziten Provokationen der Mursi-Anhängerschaft könnten Extremisten Abdel-Samad entführt haben. Die ägyptischen Behörden schließen eine Entführung ebenfalls nicht aus.

© SZ vom 26.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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