Gysi vs. ZDF:"Tendenzen zur Überheblichkeit"

Lesezeit: 2 min

Der streitlustige Anwalt und der ewige Stasi-Vorwurf: Gregor Gysis Auseinandersetzung mit dem ZDF könnte erstmals bis vor den BGH gehen.

Hans Leyendecker

Seit Februar 1992 überzieht Gregor Gysi Medien und auch frühere Bürgerrechtler mit Prozessen, wenn sie ihm vorwerfen, er habe als Anwalt mit dem DDR-Geheimdienst zusammengearbeitet und sei mutmaßlich ein Informeller Mitarbeiter (IM) der Stasi gewesen.

Nicht nur auf Wahlplakatten wird Gysi eine Stasi-Vergangenheit unterstellt. Gegen entsprechende Medienberichte konnte sich der Linken-Politiker regelmäßig erfolgreich wehren. Der Fall Gysi vs. ZDF könnte jetzt bis vor den BGH gehen. (Foto: Foto: Seyboldt Press)

Der heutige Fraktionschef der Linken war in eigener Sache juristisch sehr erfolgreich. In den Hauptpunkten bekam er über all die Jahre von unterschiedlichen Gerichten recht.

In Erinnerung bleibt auch, dass der streitlustige Anwalt im Sommer 2005 eine großflächige Gegendarstellung auf der Titelseite der Bild-Zeitung erzwingen konnte. Bild hatte vorher Fotos mit der Schlagzeile "Gysi zeigt sein Gehirn" veröffentlicht. Gysi stellte damals mit Hilfe des Gerichts fest: "Die Veröffentlichung ist ohne mein Zutun und ohne meine Kenntnis erfolgt."

Jetzt zeichnet sich in einem neuen Rechtsstreit mit dem ZDF ab, dass sich bald der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Fall Gysi beschäftigen wird. Es geht nicht um seine grauen Zellen, sondern um die alte Frage: Darf in Medien verbreitet werden, dass der Anwalt mutmaßlich wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet hat, oder ist eine solche Verdachtsberichterstattung unzulässig?

Die Fachwelt war erstaunt, als Gysi neulich in einem Streitfall mit dem ZDF zweimal in erster Instanz verlor. Der eine Fall spielte in Mainz und war nicht sehr bedeutsam. Der andere wurde vor der Pressekammer des Landgerichts Hamburg verhandelt. Der Beschluss der 24. Zivilkammer brachte einen neuen Ton in die Debatte: Die Richter kamen zu dem Schluss, es gebe "hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der geäußerte Verdacht zutrifft".

"Stichhaltige Verdachtsmomente"

Wenngleich der Stasi-Vorwurf "schwerwiegend" sei, lägen "auch stichhaltige Verdachtsmomente" gegen Gysi vor. Der Politiker war gegen das Zweite vorgegangen, weil Marianne Birthler, die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, am 22. Mai im "heute journal" behauptet hatte, Gysi habe angeblich im Fall des Regimekritikers Robert Havemann "willentlich und wissentlich an die Stasi berichtet".

Frau Birthler sah in Gysis ZDF-Klage den Versuch, sie künftig als Interviewpartnerin zu verhindern. Ihr ewiger Gegenspieler wirkte zunächst verblüfft und beschritt dann doch den gewohnten Weg. Er ging in die zweite Instanz - und gewann krachend vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht.

Ohne mündliche Verhandlung verbot der 7. Zivilsenat die Verbreitung der Behauptung von Frau Birthler und fand sogar, die Berichterstattung habe auf "einer unzureichenden Recherche beruht" und sei "insgesamt unausgewogen" gewesen.

Das hatte die 24. Zivilkammer, die sich ausführlich und auch in mündlicher Verhandlung mit dem Fall beschäftigt hatte, völlig anders gesehen: Die Darstellung im ZDF sei "sorgfältig recherchiert" und insgesamt "ausgewogen" gewesen, befanden die Richter.

Nun ging die Sache Gysi gegen das ZDF wieder zurück ans Landgericht. Die 24. Zivilkammer untersagte dem Zweiten kürzlich, den Verdacht zu verbreiten, wies aber einen Teil des Antrags Gysis auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Gysi muss ein Viertel der Verfahrenskosten zahlen. Sein Anwalt Matthies van Eendenburg und der ZDF-Anwalt Gernot Lehr kündigen jetzt an, in die nächste Instanz zu ziehen. Wenn das Oberlandesgericht wie erwartet entscheidet, wird der Fall beim BGH landen.

Gysi gibt sich gelassen. 1980 schrieb ein Stasi-Offizier: Gysi zeige "Tendenzen zur Überheblichkeit", stehe aber einer "fundierten und sachlichen Kritik aufgeschlossen gegenüber".

© SZ vom 09.10.2008/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: